Ein Besuch in der Stadt des Verfassungsgerichts. Oha!
Wer derzeit nach Karlsruhe kommt muss sich auf Überraschungen gefasst machen! Im Guten wie im Üblen. So ein Ausflug kann gut mit dem Deutschlandticket unternommen werden, und von Norden her führen zwei S-Bahnlinien da hin. Von Mannheim aus nimmt man entweder die S3 oder die S9. Jeweils die Mannheimer Version, denn in Karlsruhe fahren unter diesen Liniennummern andere Bahnen! Verwechslungsgefahr!
Die S3 fährt via Heidelberg, braucht aber nur wenige Minuten länger als die direkt fahrende S9, kommt aber über KA-Durlach, wo Anschluss direkt in die Innenstadt besteht. Über den Hauptbahnhof ist das aufgrund von Bauarbeiten etwas kompliziert. Ich bin heute ab Durlach mit der S5 weitergefahren. Effektiv ist das die Karlsruher Straßenbahn auf Fernbahngleisen. Das geht da bunt gemischt. Die Strecke führt die Bundesstraße entlang, bis sie kurz vor der Innenstadt im Tunnel verschwindet. Auch das ist neu. Karlsruhe wollte auch eine U-Bahn und bekam einen Sandkasten. Die Innenstadt ist eine einzige Baugrube. Es liegen abschnittweise noch Schienen, die Züge dazu fahren jetzt zwei Stockwerke tiefer. Barrierefrei? Pustekuchen! Zugang nur über Treppen.
Am Marktplatz angekommen steigst du an einer der Möglichkeiten aus. Die Haltestelle ist in etwa so wie in Köln der Appellhofplatz. Ein großes T mit ebenengleichem Abzweig unter Tage. Vergiss Ohropax nicht, in der Röhre wirkt das Gequietsche der Räder in der engen Kurve noch zehnmal so schrill wie an der frischen Luft.
Das Wahrzeichen der Stadt ist die Pyramide auf dem Marktplatz, die an die Stadtgründung erinnert. Zeigen kann ich sie euch leider nicht. Die hat wer eingehaust. Bauarbeiten. Sagte ich schon.
Man nennt Karlsruhe auch die Fächerstadt. Sie ist ein Kunstprodukt vom fürstlichen Reißbrett. Es gibt in der Innenstadt entweder Straßen, die auf das Schloß zulaufen, oder solche die jene untereinander radial verbinden. Wie sich das bemerkbar macht? Du siehst in jeder der auf das Schloß zulaufenden Straßen dessen Turm. Heute ist das Landesmuseum da drin, und seine Durchlaucht würde vermutlich im Grab rotieren wie eine Zentrifuge wenn er wüsste was heute auf dem Fahnenmast weht: die Regenbogenfahne!
Karlsruhe ist vom Stadtbild her sehr unterschiedlich. Es gibt Straßenzüge mit erhalten gebliebenen alten Gebäuden ebenso wie ganz moderne Glasfassaden, Kirchen die aussehen wie griechische Tempel ebenso wie Einkaufspassagen, bei denen nur die Fassade an früher erinnert. Drinnen Glas und Beton. So sind zum Beispiel im alten Postamt am Europaplatz heute Primark & Co. Hier und da sieht man auch noch Relikte aus dem letzten Krieg. Gebäude mit nur einer Etage, die ohne echtes Dach plötzlich aufhören.
Wer mit der Bahn fährt der plane Zeit ein! Liniennetzpläne sind ja fein wenn sie auf Papier stehen. Wie die Züge dann wirklich fahren ist Bedarfssache. Wir hatten das woanders auch schon, in Karlsruhe ist es nur etwas extremer. Die Linie 2 soll planmäßig vom Marktplatz zum Hauptbahnhof fahren. An der Augartenstraße merkst du erstmal nicht dass du unversehens ohne Umzusteigen plötzlich in einer Linie 3 sitzt. Die fährt nach Rintheim statt zum Bahnhof. Das ändert sich ohne dass es drinnen wer merken könnte. Von jedem Platz aus einsehbare Anzeigen? Fehlanzeige. Es kam eine kurze Durchsage, die im Stimmengewirr unterging. Das war’s! Wer seinen Anschluss so verpasst darf sich bei den VBK bedanken. Die Durchsagen nennen die Liniennummern nicht, nur die Fahrtziele, und das sind für Ortsfremde böhmische Dörfer.
Zeitbedarf für das Zentrum? Ein Tag. Die Randbereiche sind aber ebenso sehenswert, und dafür muss man teils weit fahren. Mit der Bahn an sich kein Problem, nur – es dauert.
Noch so eine Anekdote der Stadtgeschichte ist die Kriegsstraße. Die heisst nach dem wozu sie gebaut wurde. Die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, wie man das schönfärbend auch nennt. Angelegt wurde sie, um Napoleons Truppen auf der Durchreise von seinen Einkäufen englischer Art aus der Stadt raus zu halten, beginnt man heute im Zuge der Kombilösung, den Autoverkehr auf dieser nun innerstädtischen Umgehungsstraße in Tunnels zu vergraben. Wie nebenan die Straßenbahn nun als U-Bahn firmiert. Aus den Augen, aus dem Sinn? Umbenannt hat man sie nie, auch wenn es spätestens nach 1945 mehr als genug Anlass dazu gegeben hat. Nun, die Stadt Karlsruhe ist nicht nur da ein Hohlkörper.
Gleich um die Ecke beim Schloß liegen die Gebäude des Bundesverfassungsgerichts. Bürobauten wie andere auch, wäre da nicht die augenfällige Bewachung. Überall Absperrungen und Polizei! Warum verlegt man das Gericht nicht gleich in eine der leerstehenden Kasernen?