Die Landeshauptstadt Wiesbaden warm zu nennen ist zutreffend. In vielfältiger Hinsicht.
Nicht nur Geothermie spielt dort eine Rolle. Es gibt verschiedene heiße Quellen im Untergrund, und eine gewisse Probebohrung genau vor dem Finanzamt hat vor einigen Jahren einen nicht ganz natürlichen Geysir ausbrechen lassen. Auch der Kochbrunnen ist ein bekanntes Naturphänomen, dessen Name nicht von einem ehemaligen Minister-präsidenten kommt, sondern von der Temperatur dessen, was da schweflig-stinkend aus der Erde kommt.
Der Verein „Warmes Wiesbaden“ beschäftigt sich nun weniger mit Geothermie, auch wenn er könnte. Er nennt sich selbst „bunt“ und ist Veranstalter des heute dort gewesenen Christopher Street Day.
Was einst in dieser Straße war kann man Googeln. Es erinnert an ein dunkles Kapitel menschlicher Abgründe, an Polizeigewalt und Intoleranz. Eben das ist eine der Forderungen der heutigen Demonstration – Toleranz gegenüber unterschiedlichsten Lebensweisen.
CSDs gibt es viele. Im Sommerhalbjahr findet an fast jedem Wochenende, gerne Samstags, in immer mehr deutschen Städten eine solche Demo statt. Es macht auf Unbefleckte gerne den Eindruck von buntem Klamauk, so wie sich der Verein selbst bezeichnet. Bunt eben. Auch ein Straßenfest sowie Bühnenprogramme und Diskussionsrunden sind gerne Bestandteil der Veranstaltungen. Die Sache hat jedoch durchaus einen ernsten Hintergrund. Das ist nicht Karneval, auch wenn es mitunter danach aussieht. Man sucht Kontakt zur übrigen Bevölkerung, möchte informieren und Vorurteile abbauen.
Man kann zu dem Thema und seinen Fragen stehen wie man will. Niemand hat ein Recht, anderen vorzuschreiben wie sie zu leben haben. Allerdings ist das Problem vielschichtiger als es zunächst scheint.
Biologisch ist der Fall klar. Schaut man (theoretisch) in der Hose nach findet sich dort üblicherweise entweder ein „Stecker“ oder eine „Steckdose“! Mann oder Frau, etwas anderes hat die Natur erstmal nicht anzubieten. Reduziert man das Thema auf Fortpflanzung ist dem damit genüge getan. Da wird es nun aber wissenschaftlich, denn das, was die Biologie meint, passt nicht immer zu dem, was die Psychologie beisteuert. Menschen neigen mitunter dazu, sich innerlich anders zu fühlen als sie äußerlich sind.
Man sagt, neben Mann und Frau gäbe es noch rund 62 andere Geschlechtsbezeichnungen, für die unsere Sprache keine passenden Worte kennt, die aber die Gefühlswelt der Menschen nachhaltig bestimmen. Das bringen jene dann auch äußerlich durchaus zum Ausdruck, was wiederum auf Außenstehende den Eindruck einer Abwandlung von Karneval macht, wenn Männer mit Hundemasken durch die Stadt laufen oder sich jemand einen aufgeblasenen Kunststoff-Schwan umbindet. Im Nichtschwimmerbecken mag das angehen, aber auf dem Marktplatz? Die als äußerliches Merkmal unumgängliche Regenbogenflagge muss nicht besonders erwähnt werden. Auch davon gibt es mittlerweile etliche verschiedene. Jede mit einer anderen Farbstellung und einer anderen Bedeutung.
Was nun die Forderung nach Toleranz angeht: Man muss sich nicht zu eigen machen was andere gut finden. Aber man kann. Schon der „Alte Fritz“ meinte vor einigen Hundert Jahren, jeder solle doch „nach seiner Facon“, also auf seine eigene Weise, selig werden. Dabei dachte er vermutlich eher an die Religion, katholisch oder protestantisch – man könnte aber auch das Zusammenleben einer Gesellschaft darunter verstehen. Wer nicht mitmachen will weil er die biologische Variante bevorzugt darf das gern tun. Andere sehen das anders, und es gehört zur Toleranz ihnen das nicht zu verbieten.
Was war da nun heute?
Ab etwa 12:30 Uhr füllte sich der Warme Damm, eine Strasse mit Grünanlage hinter dem Staatstheater, allmählich mit Menschen. Sind wir schon wieder bei „Wärme“? Ja! Es mögen beim Abmarsch kurz nach 13 Uhr etwa 2000 gewesen sein. Alles Fussvolk, kaum Wagen. Sie führten die üblichen Transparente mit, und begleitet wurde die Demo von Polizei und Feuerwehr. Happy Pride!
Das half aber wenig als es am Dernschen Gelände am Wochenmarkt vorbei ging. Da hatte wer den Platzbedarf etwas unterschätzt, was dem Zug ein wenig Verspätung einbrachte. Sehr zum Ärgernis der vor dem Rathaus wartenden Pressevertreter, denen der Redaktionsschluss davon lief.
Vor dem Rathaus kam der Umzug für rund eine halbe Stunde zum Stehen. Auf der Treppe wurden Reden gehalten und Erklärungen abgegeben. Gegenüber schauten Landtag und Marktkirche zu.
Danach zog man weiter durch die Stadt. Interessanterweise endete die Demo am Schlachthof. Ob da für manche Nomen Omen ist?
Man kann dazu stehen wie man will. Es ist jedoch vielfältiger als das, was manche dazu sagen. Eine Krankheit ist es nicht! Die Leute sind nicht „irre“! Auch nicht wenn sich manche so aufführen, dass das Klischee bedient wird. Der Veranstaltungsleiter machte darauf aufmerksam. Eine der anwesenden Personen trug durch ihr Verhalten nicht gerade dazu bei, der Sache gut zu tun. Es geht nicht um Selbstdarstellung, es geht um ein ernstes Thema. Wobei, auch Selbstdarstellungstrieb ist, wenn man es damit übertreibt, eine Krankheit. Die hier getätigten Anmerkungen zeigen jedoch auch, dass es selbst innerhalb dieser Personengruppe Probleme mit Toleranz gibt, wenn die einen darauf hinweisen mit anderen nichts zu tun haben zu wollen.
Ich empfehle allen Interessierten, sich selbst ein Bild zu machen, eine solche Veranstaltung unbefangen zu besuchen, Fragen zu stellen – man kann mit den meisten Teilnehmern ganz normal reden – und sich dann eine Meinung zu bilden. Man wird sehen: Klischees und Vorurteile sind schnell da, halten einer Überprüfung an Fakten aber selten stand.
Was mache ich jetzt morgen? Von „ausschlafen“ bis zu einem Besuch ist alles möglich. Die Veranstaltungen ballen sich wieder. In Karbach ist Radbundesliga, in Willingen Bikefestival, in Fritzlar Hessentag. Nun muss ich mich erinnern dass es in Karbach war wo man während der Pandemie Auswärtige als Besucher für unerwünscht erklärt hat, indem man Atteste verlangte, die zeitlich wegen Verschluß der Teststellen nicht beizubringen waren, und wer die Ausschreibung genau liest mit allen Nebentexten kann darauf kommen dass das heute immer noch so ist, nur nimmt man jetzt keine unanbringlichen Coronaatteste dafür her, sondern man sagt, es gäbe für die Teilnehmer kaum genug Parkplätze, was zwar wahr ist, aber doch nichts weiter heisst als, wenn die Parkplätze für die Sportler nicht ausreichen tun sie das für Besucher sowieso nicht. Okay.
Die Bahnverbindung nach Willingen ist langsam! Extrem langsam. Auch wenn der Weg erheblich weiter ist, man ist mit der Bahn schneller in Fritzlar beim Hessentag als in Willingen beim Bikefestival. Die Strecke Marburg – Brilon ist für Ausflüge landschaftlich herrlich. Will man aber auf Besuch zu einer Veranstaltung läuft einem die Zeit fort. Auch kommt man abends zu spät heim um am nächsten Morgen fit zu sein für den Dienst. Mit dem Auto ginge das auch, aber 10 Euro für den Parkplatz ist teuer, wenn man bedenkt dass man faktisch kaum mehr als zwei Stunden da ist. Der Rest vom Tag geht für den Fahrweg drauf. Und das Geld garantiert nicht dass man überhaupt einen Parkplatz bekommt.
Fritzlar wiederum macht durch abweisende Regeln auf sich aufmerksam. Was da verlangt wird – ich hatte berichtet – bedeutet real, dass man entweder akzeptiert nur zum Geldausgeben erwünscht zu sein, oder man bleibt zuhause. Das auf den kommenden Fronleichnamstag zu verschieben würde bedeuten, dass die avisierten Veranstaltungen dann nicht stattfänden. Wie gesagt, wenn die gesuchten Informationen hier wie da nicht dabei herausspringen muss man auch keinen Aufwand dafür treiben.
Ich kann auch ganz nach eigenem Bedarf vorgehen, morgens lange ausschlafen und dann eine gemütliche Radtour unternehmen. Das macht auf jeden Fall mehr Sinn als alles andere. Ich könnte in Willingen mit dem Auto einen Besuch beim Marathon früh um 7 „erzwingen“, aber wozu? Meine Bilder braucht man nicht, man wird genug eigene Fotografen da haben wenn der Veranstalter ein Zeitungsverlag ist. Wenn ich euch meine Bilder dann zugänglich machen ziehe ich vielleicht noch dessen Argwohn auf mich.
Das muss nicht sein. Die vielen Jahre haben Vorsicht gelehrt.