Drei-Seen-Bahn

Die Dreiseenbahn ist sozusagen der immer noch erheblich weniger bekannte „kleine“ Bruder der Sauschwänzlebahn im nahen Weizen.

Nein, nicht das Getreide ist gemeint, sondern die Museumsbahn zwischen eben diesem Flecken und Zollhaus Blumberg. Gebaut wurde die als strategische Umgehung zu Kaisers Zeiten, um im Bedarfsfall schnell Soldaten nach Westen verlegen zu können, ohne dabei über die Schweiz fahren zu müssen. Die hätte sicher was dagegen gehabt.

Der Name „Dreiseenbahn“ ist rasch mit einem Blick auf die Landkarte erklärt. Die Stationen Seebrugg, Schluchsee und Aha liegen am gleichnamigen Schluchsee, es folgt etwas versteckt im Wald der Windg’fällweiher, der ansonsten nur zu Fuss erreichbar ist, bis das Ziel am und in Titisee erreicht wird. Dabei ist der Name Titisee noch garnicht so alt. Früher hiess das Städtchen mal Vierthäler. Ebenso wie die Bahn im Volksmund „Ewigkeitslinie“ heisst, was wohl daher kommt, dass ewig lange Planungsphasen schon damals durchaus „normal“ waren. War sie ursprünglich bis zum Hochrhein geplant besorgte der erste Weltkrieg eine planerische Verkürzung bis nach Sankt Blasien. Zur Ausführung kam dann nach einem halben Jahrhundert Diskussion der heutige Stumpf bis nach Seebrugg, wobei Seebrugg eigentlich nur der Bahnhof selbst ist. Die anderen Häuser der damaligen Siedlung sind beim Aufstauen des Sees zur Energieerzeugung Anfang des letzten Jahrhunderts in diesem versoffen. Kommt irgendwie bekannt vor? Am Edersee in Nordhessen fehlt heute lediglich die Bahn …

Nun hat der Erfolg dieser Museumsbahn sicher dazu beigetragen, dass die IG Dreiseenbahn in Seebrugg am Schluchsee sich gesagt hat – das können wir auch! So dampft es seit ein paar Jahren in den Sommermonaten auch auf dem Abschnitt zwischen Seebrugg und Titisee an fast allen Wochenenden mehrmals am Tag.

Zum Einsatz kommt, was gerade verfügbar ist. Der Verein hat derzeit noch wenig eigenes Wagenmaterial, und keine eigene Dampflok. Dafür hat man eine Anzahl Ehrenamtlicher, die viel Empathie mitbringen für ein Verkehrsmittel aus längst vergangenen Tagen.

Gefahren ist an diesem Sonntag, den 4. August 2019, eine preussische P8, bekannt als „das Mädchen für Alles“ mit vier Donnerbüchsen und einem alten Eilzugwagen aus Reichsbahnzeiten. Unter dem Begriff „Donnerbüchse“ versteht man einen Reisezugwagen mit offenen Plattformen zum Einstieg, der auf zwei einachsigen Radsätzen steht und infolge dessen jedes Schlagloch in den Schienen fleissig zu seinen Fahrgästen überträgt. Ähnliches kannte man früher auch vom Ürdinger Schienenbus. Auch der fuhr auf zwei Achsen und insgesamt nur vier Rädern. Schaukel Dir einen!

Dazu kommt bei den Wagen aus der Zeit um 1920, bei denen es sich um die ersten Bauserien mit Ganzmetallaufbauten überhaupt handelte (vorher gab es nur Wagen mit Holzaufbau), dass es damals noch keine wirksame Schalldämpfung gab. Will heissen, die Wagen wirkten wie der Resonanzboden von einem Klavier. Es dröhnt bei jeder Gelegenheit, und wenn die Bremse gezogen wird verstärkt sich die Vibration bis einem die Ohren weh tun. Daher der volkstümliche Name, und dafür haben sie die beste Klimaanlage, die man sich vorstellen kann. Fenster, die sich öffnen lassen! Allerdings auch das nicht so, wie man es später mal kannte. Will man so ein altes Fenster öffnen sollte man bedenken, dass unten ein Lederriemen befestigt ist. Ziehen am Griff bewirkt nur, dass der irgendwann abreisst, und dann kriegste das Fenster nicht wieder zu!

Zudem findet sich in jedem Wagen etwas, was man heute nur zu oft vergebens sucht – ein Abort. So nannte man seinerzeit die öffentliche Bedürfnisanstalt. Das allerdings nicht so wie heute, wenn vorhanden, als geschlossene Ausführung. Wenn man oben zog sollte niemand unter der Brücke stehen, über die der Zug gerade fuhr. Der bekam das Geschäft sonst gut verteilt ab. Natürlicher Dünger sozusagen. Das fiel nämlich alles unten raus direkt auf die Gleise.

Pingelig durften Reisende jener Tage nicht sein. Auch in der zweiten Klasse gab es noch Holzlattenbänke, wobei die durchaus ihre Qualität hatten. Sie sind immer noch erheblich bequemer als durchgesessene Polstersitze späterer Jahre oder heutige vandalismusresistente Sitzgelegenheiten. Ebensowenig sollte man seine Reise in diesem Verkehrsmittel im Sonntagsstaat antreten. Sauber ging es woanders zu! Bedenkt bitte, wir fuhren mit Dampf. Eine Dampflok ist nichts anderes als ein extragroßer fahrender Kohleofen. Er erzeugt also Russ aus dem Schornstein, der sich von oben schön gleichmäßig auf dem Zug niederlässt, und Abdampf, der nach getaner Arbeit in den Zylindern noch schnell das Feuer anfacht, bevor er sich ebenso durch den Schornstein davon macht. An der frischen Luft kondensiert er dann – will heissen weiter hinten im Zug regnet es! Wer also sein Haupt aus dem Fenster hält, was damals durchaus noch möglich war, der hatte am Fahrtziel Waschbedarf für Kopf und Klamotten.

Gelegenheit macht Diebe! Nun habe ich hier nichts geklaut und schön brav das Fahrgeld bezahlt, aber die Möglichkeit genutzt davon einen Film zu machen, den ich in zwei Teilen mal auf Youtube eingestellt habe, damit auch andere sich davon ein Bild machen können – und vielleicht die sehr empfehlenswerte Bahn mal besuchen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

und hier die Gegenrichtung

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Beide Filmteile sind jeweils gut 20 Minuten lang. Die reale Fahrt dauert je Richtung etwa eine Stunde.

Es empfiehlt sich nach der Fahrt noch etwa eine halbe Stunde mehr Zeit einzuplanen, es folgt noch ein interessanter Vortrag über die Geschichte der Bahn.

Am kommenden Wochenende ist in Seebrugg Bahnhofsfest. Da zeigt dann der Verein, was er bislang schon in vielen Jahren ehrenamtlicher Arbeit wiederaufgebaut hat. Das, was man dort heute sieht, ist aus einer zugewucherten Fläche wiedererstanden, die am Anfang nichts mehr mit einem Bahnhof gemein hatte. Bis zur Eröffnung des angestrebten Eisenbahnmuseums ist es noch ein weiter Weg, aber der Anfang ist gemacht. So wurde kolportiert dass das Gebäude sich bereits im Besitz der Stadt befinde und bald an den Verein übergeben werde, der dort groß renovieren will. So soll die Schalterhalle instandgesetzt werden, und im Güterschuppen soll nicht nur die Gepäckabfertigung gezeigt, sondern ebenso ein kleiner Museumsladen eingerichtet werden.