Winter im Murgtal

FREUDENSTADT/BAIERSBRONN – Es ist Winter im Murgtal. Flachlandtiroler halten es für völlig normal dass jetzt im Schwarzwald viel Schnee liegt.

Weit gefehlt! Was da liegt sieht nach Schnee aus, misst aber selbst in Freudenstadt kaum mehr als einen halben Zentimeter. Bestenfalls auf den umliegenden Berggipfeln kann man einigermaßen rodeln. Zu mehr langt es nicht.

Was ins Auge fällt sind die allerorten vorhandenen Plakate. In diesem Talabschnitt wird im kommenden Sommer eine Gartenschau stattfinden, und dafür gräbt man jetzt groß um. Das Dynamit als bester Freund des Gärtners? Nein, eher das Baustellenschild und die damit auch verbundenen Schildbürgerstreiche!

Man wird sich demnach zwischen Freudenstadt, Friedrichtstal und Baiersbronn ab Ende Mai kaum noch großartig bewegen können ohne überall Eintritt bezahlen zu müssen! Die Stadt verwandelt sich gerade in ein Blumenbeet. Seit Jahren wird dort gebaut. Erst hieß es man saniere die Straße, dann kam die Vermutung auf dass es da einen Zusammenhang geben müsse warum der Königshammercross solche Schwierigkeiten hatte und hat, und so langsam wird klar dass da auch das liebe Geld eine Rolle spielt, sprich die erwarteten Einnahmen aus Eintrittsgeldern. Die sollen das Ganze wohl finanzieren? Da legt man sich gerne massiv ins Zeug. Leider muss ich da doch geflissentlich an die letzten Hessentage erinnern. Alle veranstaltenden Städte haben damit meist massive Defizite gemacht, weil die Gängelei, die man sich angeblich aus Sicherheitsgründen überlegt hat, die Besucher fern hielt!

Du darfst nichts? Wozu also hinfahren? Nur zum Geld ausgeben?

Da wäre in Baiersbronn auf der Hauptverkehrsachse eine Baustelle, die es in sich hat. Fussgänger lernen dort fliegen! Für sie ist überall gesperrt. Links verboten, rechts verboten, Hauptsache die Autos kommen durch! Da wird eine neue Brücke rechts ab gebaut, und für andere bleibt kein Platz mehr. Eine Umleitung ist für Ortsfremde nicht erkennbar. Ja, es liegt ein verdächtiges gelbes Schild im Gebüsch. Da ist es aber nicht sehr hilfreich.

Es war gut dass ich gestern für meinen spontanen Ausflug die Bahn genommen habe, denn auch der ehedem vorhanden gewesene Parkplatz am Bahnhof ist mittlerweile den Bauarbeiten zum Opfer gefallen. Da ist jetzt eine große Baugrube, sonst nichts. Ja, die Bahnen fahren weitgehend planmäßig. Jede Stunde eine S-Bahn. Die sind weitgehend gut besucht. Aber beim Fahrplan stellen sich schon Fragen. Auf dem Aushangfahrplan stehen mehr Züge als auf der elektronischen Anzeige, und es ist nicht festzustellen ob die schnelleren RE40 denn fahren. Außer man wartet bis sie einen wie gestern unterwegs überholen. Die S8 braucht mit 40 Halten unterwegs rund eine Dreiviertelstunde länger von Freudenstadt nach Karlsruhe als der schnelle RE! Das kann Anschlüsse kosten.

Auch sonst halten es die Städtchen dort irgendwie mit Hollywood. Nein, da stehen nicht nur die gelben Ortsschilder an allen Eingängen. Es steht ebenso gut sichtbar – nachts beleuchtet – der Ortsname auf dem dem Bahnhof gegenüber liegenden Berghang! Leider hatte ich kein längeres Tele dabei.

Der Bodenzustand? Üblicherweise unterscheidet man da ja zwischen trocken, feucht und naß. Dort durfte man gestern aufpassen, wo man lang ging. Unterschieden wurde zwischen trocken, gesalzen und glatt! Zeige mir den Gehsteig vor deiner Haustür und ich sage dir welcher Typ du bist? Ja, bei vielen war es sauber. Bei anderen aber galt das Motto „tritt sich fest“, teils soweit dass man dort eher an eine Eisbahn denken mochte. Du konntest da skaten, aber kaum gehen. Anderswo fanden sich gut erkennbar die Produkte aus Reichenhall, diesmal sehr zur Freude der Passanten. Da konnte man gefahrlos gehen! Da die Topografie dort ja nicht gerade eben ist galt oft das Motto „Runter kommen’se immer!“ – nur wie kommt man wieder rauf wenn es glatt ist? Mit der Stadtbahn … hinten rum! Freudenstadt hat ja ein ganzes Bündel Bahnhöfe. Neben dem Stadt- und dem Hauptbahnhof gibt es noch jeweils einen im Industriegebiet, und an den Schulen einen weiteren. Man wird wissen warum. Verbindungen gibt es ab dem Hauptbahnhof in alle Himmelsrichtungen, auch nach Stuttgart. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los die könnten besser sein, weil sie großteils recht langsam sind. Schön um sich die Landschaft anzuschauen, weniger schön um vorwärts zu kommen.

Freudenstadt nennt sich ja gerne die Stadt mit dem größten Marktplatz Deutschlands. Das Foto links zeigt lediglich ein Viertel davon. Wie groß ist der Rest? Was gibt es da sonst noch? Manches! Wenn man weiss wie die Stadt entstanden ist fragt man sich das nicht mehr, denn der heutige Marktplatz war ursprünglich ein Bauplatz, einer für das neue Schloß seiner Majestät. Leider war der böse Feind schneller und er segnete das Zeitliche auf einem Schlachtfeld. Die Stadt vom Reißbrett blieb dann leider unvollendet. Seine Nachfolger hatten andere Pläne. Oder gaben das Geld für anderes aus.

Wegen der teilweise unsäglichen Wegeverhältnisse habe ich dann rasch nach einigen Aufnahmen den Rückweg zum Bahnhof angetreten und bin nach Baiersbronn weiter gefahren. Nutze deine Zeit! Der Wetterbericht hatte vier Stunden Sonne versprochen, und das weitgehend auch gehalten. Nach drei Stunden begann es zuzuziehen, und die Wolken sahen dringend nach Schnee aus! Man darf sich da nicht täuschen lassen. Wenn es im Rheintal zugezogen oder neblig ist heisst das noch lange nicht dass im Schwarzwald nicht die Sonne scheinen kann.

Baiersbronn ist derzeit Wühlmausgebiet, wenn man das Murgtal so anschaut. Überall Baustellen! Auch auf dem zentralen Rosenplatz gibt es nicht nur jetzt keine Rosen, dafür aber im Sommer schöne Blumenampeln. Man kann dort gut wandern, wenn die Wege es zulassen. Den Fahrradladen neben der Touristinformation muss man kennen, oder findet ihn nur per Zufall.

Hin kommt man am besten mit der Bahn, auch wenn die Fahrt das Tal hinauf zwei Stunden dauert. Zwei Stunden die sich lohnen, der schönen Aussicht wegen. Die Straßen sind teilweise recht tricky, nicht weil sie eng sind, sondern weil in einigen Dörfern fotografierende Kassen auf Raser warten. Vielfach überwachte Tempo-30-Zonen, nicht nur im echten Kurgebiet.

Ein Weg der sich lohnt. Aber man muss Zeit mitbringen. Und einen Fotoapparat.