HEIDELBERG – Im Weihnachtsurlaub hat man Zeit für Besuche. Alle Jahre wieder kommt die Adventszeit, und mit ihr die Zeit der Weihnachtsmärkte. Inzwischen haben viele Städte nicht nur einen. Auch in einer Stadt am Neckar steht Bude an Bude, und wer nicht aufpasst kommt statt angeheitert ziemlich ernüchtert nach Hause!
Es mag nach Satire klingen, ist aber die völlig nüchterne Wahrheit, oder das was ich gestern bei meinem Besuch dort erlebt habe. Im Sommer mag die Stimmung eine andere sein. Unter den tief hängenden Wolken eines kalten Wintertages ist es bedrückend.
Das Beitragsbild zeigt eine Bronzeplastik, die die Stadt aus der Vogelperspektive zeigt. Sie steht mitten in der Altstadt, und man stolpert eher zufällig darüber als sie gezielt zu finden.
Heidelberg machte mir gestern nur einen Eindruck: man will nur dein Bestes! Im Wortsinn. Die Stadt besteht faktisch aus nur einer Straße, der Hauptstraße, und die ist darauf optimiert dir das Geld aus der Tasche zu ziehen! Schau nicht genau in die Seitenstraßen, oder du erkennst die Wahrheit.
Was ist ein Potemkinsches Dorf? Hinter schönen Fassaden ist ein Notstandsgebiet!
So auch dort. Man muss es so sagen wie es ist. Ganz nüchtern. Schönfärberei hat da keinen Platz. Schon am Bismarckplatz, dem Quasi-Eingang zur Altstadt, herrscht ein Bild vor, das man kaum mehr als zwiespältig nennen kann. 1-Euro-Läden an Handyläden an Dönerbuden an Leerständen. Nicht nur einen. Etliche Schaufenster sind so mit Pappe und Kleister zugehangen. „Miete mich!“ Man hat es gut gemacht, es fällt auf den ersten Blick gar nicht weiter auf. Aber es ist eben doch eine Tatsache. Das geht so über hunderte Meter. Dabei bekommt man rasch den Eindruck als sei die ganze Altstadt nur diese eine Straße, die Hauptstraße. In den Seitenstraßen kaum ein Geschäft. Finsternis, Stille, Notstandsgebiet! Gleich bei der Ankunft am Hauptbahnhof wähnt man sich auf einer Baustelle. Der Bahnhof von Heidelberg liegt inmitten von solchen, oft in der Größe mehrerer Häuserblöcke. Mit dem Auto braucht man gar nicht da hin kommen, Parkraum ist Mangelware. P+R wurde auch noch nicht erfunden, und so ist die erste Herausforderung, überhaupt in die Stadt zu kommen.
Man kann wandern. Das ist aber weit. Ja, Straßenbahnen und Busse gibt es. Dazu komme ich gleich. Aber auch das ist nichts für Ortsfremde. Eine Touristeninformation sucht man vergeblich, und die Buchhandlungen haben auch keine Stadtpläne. Dort ist es genau umgekehrt wie in der Umgebung. Bekommt man in den umliegenden Städten nur und ausschließlich Stadtpläne für die jeweilige Stadt erhält man in Heidelberg solche für „Gott und die Welt“, aber nicht für Heidelberg!
Der Hauptbahnhof ist eine Insel. Wird man auf die Haltestelle auf der Nordseite noch konkret hingewiesen fällt Reisenden gar nicht weiter auf dass es eine ebensolche auch auf der Südseite gibt. Die Heidelberger Straßenbahn ist ein Teil des ganzen „RheinNeckarVerkehrs“, einer Gesellschaft die Bahnen zwischen Bad Dürkheim und eben Heidelberg betreibt. Überall trifft man auf dieselben Züge, und dasselbe System. Ob in Mannheim, Ludwigshafen oder Heidelberg. kennt man eine kennt man alle. Das war nicht immer so. So hört man Einheimische oft sagen, sie fahren mit der OEG. Einst war die Oberrheinische Eisenbahngesellschaft eine selbständige Kleinbahn. Sie hat heute noch erhalten gebliebene Bahnhöfe, nur fährt an denen kein Zug mehr ab. Aber die drei Buchstaben stehen oft noch dran. Heute ist sie Teil der Mannheimer Straßenbahn, und damit der RNV. Der Verbund ist das Dach eines vielfältigen Hauses, wobei man auf Nachfrage durchaus zu dem Eindruck kommen kann dass intern über Zuständigkeiten gestritten wird. Gibt es Probleme sind immer andere dran schuld.
Es gibt bei den Liniennummern einige, die etwas auffallen. So ist die heutige Mannheimer Linie 4 die ehemalige Rhein-Haardt-Bahn, eben die Linie nach Bad Dürkheim. Zum Wurstmarkt und zum großen Weinfass.
Ein anderes Weinfass ebensolcher Größe steht auf dem Gelände des Heidelberger Schlosses, oder dem was davon noch übrig ist. Man hat aus der Altstadt einen guten Ausblick darauf.
Dahinter befindet sich der Königsstuhl, womit kein Möbel, sondern ein Berg gemeint ist. Offizieller Weg da hin ist die Bergbahn, die in zwei Etappen mit Umsteigen diesen erklimmt. Was dir offiziell kaum einer sagt ist, dass da auch ein Bus rauffährt. Die Linie 39. Hinten rum, und damit kann man quasi für lau rauf kommen wenn man eh ein D-Ticket hat.
Etwas anderes für trübe Tage ist die Linie 5. Eine megagroße „Stadtrundfahrt“, oder ehedem die OEG. Es ist eigentlich eine „ganz normale“ Straßenbahn, auf Meterspur, betrieben genauso wie die übrigen Linien im Rhein-Neckar-Gebiet, und auch mit ganz normalen Fahrscheinen zu nutzen. Sie fährt immer im Kreis, und wer es nicht weiss steht am Bismarckplatz in Heidelberg und wundert sich. In beiden Richtungen findet sich dieselbe Zielanzeige. Immer fahren die Züge nach Mannheim über Weinheim. Es ist nur die Frage, welche Stadt zuerst erreicht wird. Im oder gegen den Uhrzeigersinn. Eine Runde dauert mehrere Stunden und führt durch die ganze Region. Aber die Züge sind oft so überlaufen dass man keinen Platz mehr bekommt.
Wer nicht zum Radcross oder ins Museum will sollte sich gut überlegen, ob ein Besuch in Heidelberg zur Winterzeit ratsam ist. Sich an den Neckar zu setzen und die Seele baumeln zu lassen ist was für laue Sommerabende. Ansonsten holt sich die Seele leider eine Unterkühlung! Bei der Tristesse kein Wunder!