Havariefall

Heute hätte ein schöner Tag werden können. Hätte, hätte, Fahrradkette!

Stattdessen ist der denkbar schlechteste Fall eingetreten, den man sich „wünschen“ kann. Seit heute ist bewiesen, warum öffentliche Verkehrsmittel in Deutschland nicht mehr nutzbar sind.

Das Problem ist zerstörtes Vertrauen! Da heute der letzte Tag vor der halbjährigen Riedbahnsperrung ist hatte ich mir etwas Urlaub passend gelegt und wollte eigentlich heute einen Ausflug nach Brilon machen. Das liegt wie man weiss im Sauerland und ist eigentlich Endpunkt der Kurhessenbahn, die einen normalerweise ab Marburg in rund zweieinhalb Stunden da hin bringt.

Eigentlich, weil man überhaupt erst mal nach Marburg hätte kommen müssen.

Was ich nachfolgend schreibe klingt so ungeheuerlich, dass man meinen könnte ich übertreibe. Leider ist dem nicht so.

  • Ich weiss was ich erlebt habe, denn ich habe in dem Zug gesessen.
  • Ich weiss was ich gehört habe, was da durchgesagt wurde, und
  • ich weiss dass zwei plus zwei nicht fünf ist, wie manche Politiker sich das wünschen.

Das Foto oben zeigt heute Vormittag einen äußerlich unbeschadeten RE98 der HLB in Groß-Karben. Kundige werden jetzt schon stutzig, denn der hält normalerweise eben gerade da nicht! Wie also kam ich da hin? Auf dem Zahnfleisch … ! Wenn man es so ausdrücken darf, denn was davor geschehen ist macht die Geschichte ja so unglaublich. Sonst würde ich sie hier nicht aufschreiben. Wir sind hier ja nicht bei der Bildzeitung. Die braucht künstlich aufgeblasene Schlagzeilen. Ich halte mich an die Wahrheit.

Unvorhergesehenes kann passieren. Es kann dann aber nicht sein dass Verantwortliche ihre Kunden dann auch noch via „Wegerisiko“ dafür verantwortlich machen wollen. Man habe ja angeblich die Wahl gehabt, da einzusteigen. Ach ja? Solche Aussagen sind zynisch!

Alles lief soweit völlig normal, bis der Zug auf seiner Fahrt Richtung Friedberg, von wo aus es weitergehen sollte über Giessen nach Marburg plötzlich eine Vollbremsung hinlegte. Dann passierte erstmal nichts mehr. Die ersten Durchsagen des Zugbegleiters endeten abrupt mitten im Satz. Es fiel der Strom aus! Derweil zeigte die Fahrplanauskunft online die Verbindung eine Stunde verspätet an. Wer öfter Bahn fährt kann sich was denken.

Die Kundschaft in Friedberg durfte vergebens warten, der Zug kam nicht. Der schleppte sich dann irgendwann mit Schrittgeschwindigkeit nach Groß-Karben, dem nächsten Bahnsteig, wo man die Passagiere rauslassen konnte, wobei der Zugbegleiter unter der Hand betonte dass das von der Betriebsleitung so eigentlich nicht zugelassen sei. Zwischenzeitlich war wohl auch die Evakuierung mitten im Nirgendwo mithilfe von Feuerwehr und Übersteigbrücken in der Diskussion. Es wäre nicht der erste Zug gewesen, der so „entleert“ worden wäre. Dann wäre daraus aber eine öffentliche Sache geworden, denn dann wäre es kaum noch unter der Decke zu halten gewesen, wenn es im öffentlichen Einsatzbericht gestanden hätte.

Was ist denn da bei der HLB in der Teppichetage los? Wollt ihr warten bis die Leute umkippen? Die ersten waren schon auf Krawall gebürstet, und ich sage das deutlich: Wenn mir jemand sagt, ich hätte in Deutschland ja die freie Wahl der Verkehrsmittel und müsse ja nicht mit dem Zug fahren, dann will ich keinen Verantwortlichen mehr hören der mir sagt ich solle mich umweltbewusst verhalten! Die Bahngesellschaft gehört überwiegend oder ausschließlich dem Staat, und der hat daraus eine Verantwortung seinen Kunden gegenüber, dass die Fahrzeuge nicht unterwegs förmlich auseinanderfallen. Was ich da heute erlebt habe war nur der Gipfel eines Eisbergs. Man muss bei der Fahrt mit der Bahn heute einkalkulieren, sein Ziel nicht zu erreichen. Wir reden nicht mal von pünktlich, wir reden jetzt von „überhaupt“! Schiffbruch ist Teil des Geschäftsmodells? Kann das wirklich wahr sein?

Kann es ferner wahr sein dass Verantwortliche ihre Kunden in einem solchen Fall lieber stundenlang im Fahrzeug eingesperrt sehen wollen als dafür zu sorgen dass sie zeitgerecht weiterfahren können? Wie gesagt, was ich da von Personalen habe aufschnappen können war eindeutig, und ich mache denen nicht mal einen Vorwurf! Die Leute im Zug können nichts für schlampige Wartung oder hanebüchene Konstruktionen, und wenn Technik ausfällt ist das Sache der Werkstatt und nicht des Fahrers. Die Zeit für Ausreden ist abgelaufen!

Ich habe es in anderer Form erst kürzlich bei meinem Besuch in Fritzlar erlebt, und heute erneut bestätigt bekommen. Auf die Bahn kann man sich nicht mehr verlassen, und ich meine damit nicht nur die Rote!

Und an die Adresse der Politiker jeglicher Couleur in Bund und Land sage ich: Euer Versagen hat ab jetzt Auswirkungen auf zukünftige Wahlentscheidungen! Wer versagt soll seinen Sessel räumen! Reden könnt ihr. Ja, die Bahn könnte ein zuverlässiges, brauchbares Verkehrsmittel sein, das durchaus manche Fahrt mit dem Auto überflüssig macht. Ihr aber habt es jahrelang unterlassen, dafür die Grundlagen zu schaffen, habt zugelassen oder gar bewusst herbeigeführt dass alles den Bach runtergeht, könnt immer nur „teuer“ statt praktikabel, und habt damit das Recht verwirkt, den Bürgerinnen und Bürgern Vorschriften zu machen.

Wenn ihr nicht fähig seid euren Job zu machen, nehmt euren Hut und geht!