Frankfurt – Man liest es immer mal wieder. Der Fachhandel beklagt sich über eine angebliche Kaufzurückhaltung der Kunden. Wie schaut das denn wirklich aus?
Der Tag begann heute früh um 8 Uhr mit einer Entscheidung. Fahre ich nach Kirchheim unter Teck zum Radrennen oder fahre ich nach Frankfurt zur Messe (und zum Radrennen)?
Schlussendlich war der ausschlaggebende Faktor das Nichtvorliegen einer Antwort zu meiner Frage, wo man in Kirchheim denn parken könne. Die kam nach 13 Uhr erst an, und da man nach Stuttgart mindestens 2 Stunden fährt, nach Kirchheim also mehr, und das Rennen dort um 16 Uhr beginnt war der Zug da abgefahren. Wenn ich mal in Frankfurt bin bin ich nicht bald darauf hinter Stuttgart! Eine Fahrt mit der Bahn scheiterte ja an dem windigen Fahrplan für die Heimfahrt, und so weit reicht mein Vertrauen derweil nicht mehr dass ich es darauf hätte ankommen lassen, mit einer teuren Ausrüstung auf dem Rücken nachts am Stuttgarter Hauptbahnhof zu übernachten, oder irgendwo sonst ausserhalb fester Mauern.
Die Akkreditierung als Blogger war bei der Eurobike kein Problem. Unerwartet einfach war kurz nach Ausfüllen des Formulars das Ticket da, nebst einer RMV-Fahrkarte und einem Parkschein, die ich durch mein D-Ticket garnicht gebraucht hätte. Danke dafür!
Ich bin also um 8:33 Uhr in die S7 gestiegen und war rechtzeitig zum Start des Bembelcrit dort. Um 10 Uhr gingen die Männer auf die Strecke, und nach ein paar Bildern vom Rennen begann ich meinen Rundgang durch die Ausstellung, um zeitgerecht um 11:30 Uhr zum Ziel wieder da zu sein. Wie es hieß sollte um 11:40 Uhr auf der Bühne die Siegerehrung sein, das Treppchen stand auch da. Was aber dann passierte warf Fragen auf. Statt auch nur ein Wort zu sagen baute man die Bühne ab, verstaute das Treppchen in einem Apfelweinausschank und ließ alle Umstehenden samt Fernsehen „dumm sterben“! Auch das ist eine Form von nonverbaler Kommunikation, und sie ist ungeahnt redselig. Da braucht man also zukünftig keinen Aufwand mehr für treiben, hiess die Aussage doch erst, man habe die Startzeit so früh gelegt damit die Fahrer danach noch zu anderen Rennen fahren können. Nun schiebt man die Siegerehrung, mit das Wichtigste neben dem Rennen selbst, irgendwo nach hinten und sagt kein Wort zum neuen Zeitplan. Andere haben ja keine Termine? Das ist ein Problem bei einer Messe, wo Termin auf Termin folgt und oft drei Sachen parallel stattfinden. Da will man auch noch hin und hat eben nicht wie bei anderen Rennen nach dem Zieleinlauf vermeintlich frei. Das erfordert Planung und Verlass auf Ansagen. Das gibt es jetzt nicht mehr.
Was gab es nun auf der Messe zu sehen? Triviale Antwort: viel! Alles kann man garnicht ansprechen, und ich werde nachfolgend kurz auf einige Dinge eingehen. Was unweigerlich auffiel war: die Ausstellungsfläche war nicht mehr voll wie in den Jahren zuvor. Da war mehr als einmal schlicht „nichts“. Was dagegen umso deutlicher ins Auge fiel war die Gestaltung mancher Stände, die eher als Festung daherkamen denn als Einladung. Ohne Termin kam man da garnicht mal rein! An manchen Ständen bestand denn auch die Hälfte der Fläche aus „Café“! Auch davon unabhängig waren in jeder Halle mindestens fünf Kaffeeausgaben anzutreffen, etwas das es sonst nicht gab. So mancher Aussteller definierte sich weniger über seine Fahrräder denn über seinen Kaffee. Was es auch nicht gab waren die früher durchaus beliebten Bekleidungsstände. Weg, futsch, fahrt nackig! Nur für Kopf, Augen und Hände gab es noch Angebot. Helme, Brillen und Handschuhe hatten die üblichen Anbieter noch im Programm. Was es so noch an Wäsche gab waren denn auch eher angezogene Schaufensterpuppen als Dekoration.
Das Kernproblem und die Antwort auf die eingangs vermittelte Frage des Fachhandels an seine Kunden ist, dass das, was man da gezeigt bekommt, wenig mit dem zu tun haben muss, was man hernach im Laden kaufen kann. Das sind leider zwei grundverschiedene Dinge! Hätte der Fachhandel ein Bestellsystem, das fähig wäre kurzfristig alle Artikel beizuschaffen statt die Kunden auf den eigenen Lagerbestand zu verweisen, sähe die Lage für die Händler wohl erheblich besser aus. Oder glaubt wer es sei mir nicht aufgefallen wie sich in den letzten Wochen vor der Messe viele Shops sukzessive leerten, um Platz zu schaffen für die erwarteten Neuvorstellungen? Da war teilweise ganz eklatant vieles einfach nicht mehr zu haben.
Man merkt es auch an der Präsenz der Besucher. Zwar ist es normal, dass Samstag früh erst mal alle ausschlafen und nach einem ausgiebigen Frühstück erst zu Besuch kommen. Heute war aber bemerkenswert weniger los als sonst, oder kam nur mir das so vor? Es war doch vor zwei Jahren noch so dass am Einlass eine Schlange die Treppe runter bis fast auf den Bahnsteig stand. Heute war dort gähnende Leere und man kam sofort rein!
Was das Angebot angeht gibt es zwei Lager: das eine pflegt die Tradition, das andere fährt elektrisch. Traditionelle Räder heisst nicht altmodische Räder. Auch da macht die Technik Fortschritte. Viel Karbon im Rahmenbau. Auf der anderen Seite sah man allerdings nicht nur ein elektrisches Rennrad, und das ganz offen. Was früher unter der Theke als Bückware gehandelt wurde steht heute ganz offen in der Auslage, wie hier bei Rotwild.
Ein anderer Aspekt betrifft das weite Feld der Fahrsicherheit. Gab es früher beleuchtete Helme nur vereinzelt von wenigen Herstellern, so sieht man heute solche Angebote bei vielen. Ein anderer Aussteller präsentierte Packtaschen aus reflektierendem Material, die bei Anleuchten mit Scheinwerfern das Licht zurückwerfen. Unübersehbar! Jacken mit dieser Technik gibt es ja schon länger. Jetzt also auch leuchtendes Gepäck.
Auch in Sachen Antrieb gibt es Neues zu vermelden. Einerseits werden die Motoren immer kleiner, sodass sie jetzt schon kaum noch auffallen. Bald werden sie so in die Rahmen passen, dass man von aussen kaum noch merkt ob man ein eBike oder ein konventionelles Rad vor sich hat. Bei einigen Modellen hat auch die alte Kette ausgedient, man sieht immer öfter Zahnriemen. Die sind wartungsarm und müssen nicht geschmiert werden. Wandert dann noch das Schaltgetriebe von der Hinterachse in den Motor ist der Weg zur Schaltautomatik frei. Auch das gibt es jetzt.
Woran sich andere Verkehrsteilnehmer ebenso werden gewöhnen müssen sind Blinker. War man als Radfahrer bislang Handzeichen gewohnt, die man nachts leicht übersehen kann, fangen jetzt auch Fahrräder an zu blinken!
Was gab es sonst noch? Mehr als ich hier aufzählen kann, das meiste davon fand aber im Detail statt. So wird das Birdy von Riese&Müller Konkurrenz bekommen, und nicht nur von Brompton. Da sind jetzt einige Hersteller mehr, die Falträder anbieten. Sie alle funktionieren nach einem ähnlichen Konzept, und immer kommt dabei ein Rad in Koffergröße heraus, das man im Zug einfach mitnehmen kann. Wenn der Zug denn fährt. Manche davon gibt es sogar mit Motor.