Fritzlar – Man nehme eine recht gut erhaltene Stadtmauer, stelle den Dom da rein und viel altes Holz dazu, fertig ist die Altstadt von Fritzlar?
Wenn es so einfach wäre! Erlebnisse der ganz besonderen Art hatte ich gestern bei meinem Besuch in Fritzlar.
Das fing schon morgens an. Hatte ich mir doch am Freitag eine gut aussehende Verbindung mit der Bahn rausgesucht löste die sich Sonntag früh in Wohlgefallen auf! Zug fährt nicht. Ohne Auto wäre das Vorhaben sozusagen „pränatal verstorben“! Wieder mal.
Mit dem Auto auf allerlei Umwegen vor Ort angekommen stellte sich heraus: der fuhr sehr wohl. Was sich die Auskunft dabei dachte wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben.
Glauben darf man da ohnehin nur sehr bedingt, was man angezeigt bekommt. Papier ist ja geduldig, könnte man die Auskunft denn noch ausdrucken. Das geht in der neuesten Version nicht mehr, man wird wissen warum, schließlich ist es sinnlos etwas zu dokumentieren was sich alle fünf Minuten ungünstig ändert. Demnach sind die Ursachen für diese Ausfälle wohlbekannt und eben nicht Zufall. Man tut aber offenbar nichts dagegen, denn die Zustände halten nicht nur dort seit Monaten unverändert an. Es ist grundsätzlich für Ortsunkundige schwierig. Da gibt’s derweil für Fahrplanauskünfte mindestens drei verschiedene Quellen, wie da wären der DB-Navigator, und eben die Auskünfte der zuständigen Verkehrsverbünde. Der RMV sagt, man soll in Wabern umsteigen. Einmal quer durch den Bahnhof in nur vier Minuten? Sportlich! Der NVV sagt man soll in Borken umsteigen. Dort fährt in der Ortsmitte – nicht am Bahnhof – ein AST. Ein Anrufsammeltaxi, das man telefonisch eine halbe Stunde im Voraus oder im Fall von Sonntag am vorangegangenen Freitag bis Feierabend vorbestellen muss, ohne zu wissen ob der Zug, der einen da hin bringt, überhaupt fährt und pünktlich ist! Das hat was von Lotto, wie das ganze Bahnfahren derzeit überhaupt.
Man kann dabei das Große Los ziehen. Die Wahrscheinlichkeit, dabei eine Niete zu erwischen, ist aber ungleich größer. Das einzige, was zuverlässig fährt, ist dein Auto!
Nun, wer nach Fritzlar kommt sieht aus der Ferne schon die Stadt auf einem Hügel in der Sonne liegen, ganz so als würde sie auf einen warten. Es war Tag 7 nach dem Hessentag, und man mochte meinen eine Woche würde genügen um die Hinterlassenschaften der Veranstaltung wegzuräumen. Andere Städte bauten schon in einer Woche den halben Marktplatz um. Doch weit gefehlt, die Straßensperren existieren immer noch, die Zufahrten zu den seinerzeit abgesperrten Wohngebieten sind immer noch zu! Zufahrt nur mit besonderer Erlaubnis. Die Leute kümmern sich nicht darum, wen wundert’s?
Die Hauptstraße, die die Zufahrt zum Parkplatz am grauen Turm hergestellt hätte, war eine Baustelle, vollgestellt mit allerlei Gerätschaften, eine Umleitung führte wie üblich schnurstracks wieder aus der Stadt hinaus. Dass überall noch die Hinweisschilder auf die extern gelegenen Großparkplätze für den Hessentag herumstanden und einen schon kilometerweit vor der Stadt begrüßten muss ich wohl nicht besonders erwähnen. Das waren vor allem die Parkplätze der Großmärkte, die, wen wundert’s, inzwischen wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt sind. Will heißen sie standen leer. Es war ja Sonntag. Aber Hauptsache man kann mit Strafe bedrohen wer da trotzdem parkt!
Wir wollen dich hier garnicht haben! Kommt das bekannt vor? Ja!
Ich habe mir dann hinter der Stadthalle einen Parkplatz gesucht, auch wenn ein angrenzender Supermarkt durch Schilder am Haus glauben machen wollte, man dürfe dort nur während des Einkaufs parken. Die Stadthalle ist doch öffentlich, also darf man dort auch parken, zumal der Parkplatz dazu öffentlich ausgeschildert ist und eben nicht nur den Kunden vorbehalten war. Auch da erneut: Sperrschilder, nur notdürftig zur Seite gerückt.
Was habt ihr da eigentlich die ganze Woche lang gemacht? So wie es roch den Pinsel geschwungen! Eimer Farbe für etwas Schönheit? Das hätte VOR dem Hessentag gut getan, nicht erst danach!
Auf der Kreuzung gegenüber befindet sich der Busbahnhof, oder was man da so nennt, und angrenzend die alte Stadtmauer, die mit ihren erhalten gebliebenen zehn Türmen darstellt, warum alte Städte etwas Besonderes sind. Durch die Mauer gebrochen hat man kleine Durchgänge, und so kommt man in die Altstadt.
Sie ist nicht groß! Flächenmäßig sind mittelalterliche Großstädte regelmäßig kleiner als heutige Dörfer, und ein Nest mit 5000 Einwohnern war damals eine Großstadt. Zum Durchmarsch braucht man zu Fuss gerade mal eine gute Viertelstunde, wenn man sich nirgends lange aufhält. Zum Busbahnhof rein, am Dom steht man schon am Abgrund. Im wahrsten Sinn dieses Wortes, denn alles dahinter liegt fünfzig Meter tiefer. Wäre nicht alles vollgemüllt gewesen hätte man sagen können: Plätzchen zur schönen Aussicht! So aber fand der geneigte Besucher dort vorwiegend Pizzakartons. Weiter draussen folgen dann mit Abstand der Bahnhof, der rund zwei Kilometer vom Zentrum weg liegt, und dahinter Kasernen und der Flugplatz. Das Militär ist doch immer noch sehr präsent. Alles vergleichsweise öffentlich, wer sich da auf den Domhügel mit einem Fernglas hinstellt kann sehen was auf dem Flugfeld vor sich geht.
In der Kirche war ich nicht. Ich kenne mich mit den Messezeiten der Katholiken nicht besonders gut aus und wollte nicht stören.
Ein ganz besonderer Anblick ist dazwischen der alte Marktplatz, um den man kaum herumkommt wenn man die Altstadt von Fritzlar besucht. Alle Wege führen nach Rom, und ebenso dort hin. Man kann ihm sozusagen kaum entkommen, und damit auch nicht den vielen Wirtshäusern, die sich um ihn herum versammelt haben. Verhungern oder verdursten wird dort keiner, solange er oder sie genug Kleingeld in den Taschen hat. In einer Ecke des Platzes befindet sich ein unscheinbares Haus. Eins unter vielen. Nur am Schaukasten davor kann man erkennen, wer da „wohnt“: die HNA. Die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine ist die Lokalzeitung, der Aushang meldet, was andere schon seit einer Woche wissen.
Am Rande des Platzes vom Dom liegen eine Reihe prächtiger Häuser, gesäumt von Rosen. Eine Augenweide! Gleich daneben hat sich jemand einen besonderen Hauseingang geleistet und ein altes Tor in seinen Zugang integriert. Es sieht aus wie der Eingang von einem Kloster, nur dass eben die Tür nicht mehr da ist wo die Mauer dazu endet. Burgruine in klein, sozusagen. Mit dem Pflaster wäre an dieser Stelle vorsichtig umzugehen. Es ist mehr als nur „ramponiert“, und wer nicht aufpasst rutscht entweder aus oder knickt um. Nichts für Stöckelschuhe oder Pfennigabsätze.
Auf einer kleinen Empore vor dem Rathaus steht ein „Kunstwerk“, bestehend aus einem Tisch mit vier Stühlen aus Holz, die als Rückenlehne jeweils Rathaus, Dom und Stadtinsignien enthalten. Das Ganze in XXXXXXXL-Ausführung.
Um das Wichtigste zu sehen sollte man einen guten Nachmittag einplanen. Gasthäuser finden sich nicht nur an der Oberfläche. Wie etliche „Abgänge“ beweisen trinkt man da gerne auch unter Tage. Gleich davor ein Brünnchen, quasi zum Nachschütten.
Hier sind ein paar Eindrücke als Video: