Eine Frage der Perspektive!

Radsportfotografie! Eine oft ungewöhnliche Tätigkeit. Die Teilnehmer an Radrennen kennen sich untereinander für gewöhnlich recht gut. Wie aber erkennen Fotografen, wen oder was sie da vor der Linse haben?

Bedenkt bitte, beim Rennen hat man bestenfalls eine Zehntelsekunde, um zu entscheiden ob man auslöst oder nicht. Das entscheidet eher der nervöse Finger, als dass es eine bewusste Entscheidung wäre. Man sollte das Problem kennen. Einfache Antwort: in der Regel weiss man als Fotograf nicht genau, wer da fährt! Man sieht „Wäsche“! Wer das im einzelnen ist sieht man bestenfalls, wenn man später die Bilder auswertet. Es ist zu diesem Zeitpunkt oft auch völlig belanglos. Es geht um die Plätze. Die Trikots sind ab Jahresanfang bekannt, daraus leitet sich ab zu welchem Verein oder Team ein Fahrer gehört. Darum habe ich manchmal auch sauer reagiert, wenn Teams ihre Präsentationen im Geheimen abhalten, weil man so nicht erfährt wie die Sportler im laufenden Jahr aussehen. Im Rennen achtet man eher auf die Trikots als auf Personen, und siebt unterbewusst aus wer so seine Weltsicht mitgeteilt hat, keine Bilder zu wünschen! Bei jenen drückt dann oft genug nur noch auf den Auslöser, wer auch zur Präsentation geladen war. Die Botschaft aus diesen Präsentationen ist für Fotografen, was die Teams wollen! Ihr seht eher die Möglichkeit darin, euch und eure Sponsoren zu präsentieren. Die Sache ist aber vielfältiger. Sehr viel vielfältiger! Es ist hinsichtlich der Wirkung unerheblich, ob das so gewollt oder ob man sich dessen bewusst war!

Oder man hält es streng mit dem Presserecht. Die ersten Drei sind als Personen der Zeitgeschichte nicht zustimmungsbedürftig. Wer gewonnen hat ist die Nachricht, um die es streng genommen geht.

Eine Mannschaft, die ihre Präsentation nur vor ausgewähltem Publikum hält, teilt damit der Restbevölkerung deren Unerwünschtheit mit! Die Aussage ist, man wolle mit denen nichts zu tun haben. Andersfalls hätte man die ja auch einbeziehen können. Die sind ja nicht giftig. Klar, es kann nicht immer jeder Interessierte kommen, aber eingeladen zu sein und absagen zu müssen ist etwas anderes als nie eingeladen gewesen zu sein! Eine rechtzeitige Terminankündigung in den Medien ist durchaus erwünscht, nicht nur eine solche auf der eigenen Website. Denselben Fehler machen auch Eisenbahnvereine, wenn zu Sonderfahrten erst eingeladen wird wenn die Karten schon (unter Seinesgleichen) vergriffen sind. Solche Vetterliswirtschaft trägt Früchte, nämlich spätere Abstinenz des Publikums. Darum wirkt ein Post in den sozialen Medien, wo „die geile Party“ gefeiert wurde, wie ein Brandsatz. Die Party fand ja unter Ausschluss derer statt, die aus unterschiedlichsten Gründen daran durchaus interessiert gewesen wären.

Im Kriterium ist Fotografie noch vergleichsweise einfach. Das Feld kommt ja „oft genug“ bei einem vorbei. Man nimmt sich fünf Runden Zeit um zuzuschauen wer in etwa in welcher Gruppe an welcher Position fährt, und macht in der nächsten Runde sein Bild. Durch den Sucher der Kamera sieht man noch erheblich weniger als durch die Brille auf der Nase! Es ist nahezu unmöglich, ein Rennfeld dauerhaft durch den Kamerasucher zu beobachten. Die Straßenrennen erlauben nur einen Schuss, und der muss sitzen. Genauer: ein Schuss je Vorbeifahrt. „Salvenfeuer.“ Man erfährt später ob es gepasst hat. Eine zweite Chance gibt es nicht, und man weiss vorher nicht, wie sich das Feld zum Zeitpunkt X darstellt. Irgendwo bei der Bergwertung hat man selten die Informationen, die jeder Zuschauer über das Fernsehen erhält. Wie viele und welche Spitzenreiter, wie viele Gruppen, mit welchen Abständen, geschlossenes Hauptfeld, wer ist in welcher Gruppe, an welcher Position, etc.? Das weiss man regelmäßig erst, wenn ihr da seid, und entscheidet darauf spontan! Es gibt bewährte Zusammenstellungen an Geräten, die Fotografen sozusagen vorrätig halten, um auf jede Möglichkeit vorbereitet zu sein. Das führt dann zu Rucksäcken, die voll sind bis Kragenunterkante und oft genug 10-20 Kg wiegen. Trage das mal den ganzen Tag im Akkord durch die Gegend, und du weisst am Abend was du gemacht hast! Nicht nur ihr seid dann „schwarz“!

Eure Startnummern tragt ihr auf dem Rücken. Oder sie befindet sich am Rahmen des Fahrrads, oft genug am Sattelrohr. Da kann sie kein Fotograf (und kein Zuschauer) rechtzeitig erkennen. Man sieht sie regelmäßig nicht mal auf Bildern. Sie wäre aber aus der Startliste die mögliche Verknüpfung.

Nun wisst ihr auch warum Anfragen der Bauart „Schick mir bitte mal alle meine Bilder!“ zwecklos sind. Die mögliche Filterung wird vom Datenschutz ausgehebelt.

Hinzu kommt, dass seit neuestem jene Startlisten oftmals geheimgehalten werden. Sie werden nicht mehr veröffentlicht, rechtzeitig schon garnicht. Nachmeldungen kommen da noch oben drauf. Daraus ergibt sich im weiteren, dass die obligate Fragestunde nach der Erlaubnis für Bilder, wie manche es gemäß DS-GVO wünschen, zumindest für Fotoamateure schon aus dieser Sichtweise nicht mehr möglich ist. Wer nicht wissen darf wer teilnimmt hat gar keine Chance.

Soll das so sein, oder ist es pure Gedankenlosigkeit mancher Veranstalter? Der Zuschauermangel bei Rennen hat Gründe! Dies ist wahrscheinlich einer davon.

Das nächste Problem ist dann das Merchandising. Manche Profiteams vertreiben ihre Bekleidung auch, entweder das Original oder eine Nachbildung, über den Fachhandel für Radsportbekleidung. Wer da nun, wie zuletzt bei der Velotour, Welt- und Landesmeister en masse fahren sieht oder dort die Trikots bekannter Mannschaften antrifft nimmt zwar selten an dass der „Inhalt“ der Kleidung „echt“ ist, kann es aber auch nicht ausschließen. Bekannte Teams im Jedermannrennen sind von da her ein Problem. Für Fotografen ist das ein „Trigger“!

Ist der echt, oder ein Möchtegern? Es wäre nicht der erste echte Profi und bekannte Name, der einem im Training so vor die Linse gefahren wäre. Auch unsereins freut sich! Es füllt bedarfsweise je nach Gelegenheit das Bildarchiv mit ungewöhnlichen Motiven von Personen der Zeitgeschichte.

Fotografisch ist Sport grundsätzlich nur dann attraktiv wenn man nicht an jeder Stelle mit Egoisten und Rechthabern rechnen muss!