Doktorarbeit

Foto: Symbolbild. Der öffentliche Nahverkehr ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Wie berechtigt diese Aussage sein kann möchte ich hier mal anhand eines praktischen Beispiels aufzeigen.

Nehmen wir für dieses Beispiel meinen Arbeitsweg. Wir bewegen uns in Südhessen, und es gilt der Tarif des Rhein-Main-Verbunds RMV. Von Riedstadt-Wolfskehlen nach Offenbach und wieder zurück. Zur einfacheren Veranschaulichung habe ich die seltsamen Effekte, die dabei zutage treten, mit Screenshots illustriert. Diese entstammen der offiziellen Tarifauskunft.

Es gibt zwei Tarifvarianten. Beide bezeichnen exakt dieselbe Strecke, man fährt zur selben Zeit mit denselben Zügen und zahlt auch in beiden Fällen dasselbe Geld. Allerdings hat man nicht unbedingt dieselbe Fahrkarte!

Der Unterschied liegt in dem, was man mit diesen beiden möglichen Fahrkarten denn sonst noch so darf, also in den freigegebenen Tarifzonen. Mein Beispiel gilt hier für Monatskarten.

Variante 1: Riedstadt-Wolfskehlen nach Offenbach Kaiserlei.

Das ist der „offizielle“ Weg.

Variante 2 zeigt, wie es „besser“ geht. Man wählt als Ziel nämlich die Stadt Frankfurt. Kaiserlei an sich ist nämlich genau die Tarifgrenze, und es ist tariflich egal ob man in Frankfurt am Stadion aussteigt oder am Kaiserlei, oder am Campus Riedberg ganz oben im Norden. Die Zone 50 umfasst das ganze Stadtgebiet von Frankfurt am Main und ist sozusagen ein Einheitspreisladen. Ausnahme: der Flughafen!

und siehe da, man darf plötzlich z.B. auch nach Darmstadt fahren! Im Fall einer Sperrung der Riedbahn kommt man so in den Genuss einer „Umleitung“ über die Main-Neckar-Bahn, und mithilfe der Tram 9 und dem Bus 45 nach Hause.

Das dürfte man mit Variante 1 nämlich nicht! Auch darf man mit keiner der beiden genannten Versionen in die Stadt Offenbach selbst fahren. Es wäre sogar untersagt, mit dem Bus die eigentlich freigegebene Straße zwischen Kaiserlei-Bahnhof und der Tramhaltestelle Stadtgrenze zu fahren, was im Fall einer Störung im Tunnel erforderlich wird. Da hat man nämlich „extra“ eine Haltestelle dieser Buslinie auf Offenbacher Stadtgebiet eingerichtet. Beide Haltestellen, sowohl Kaiserlei wie auch Stadtgrenze, liegen zwar auf Offenbacher Stadtgebiet, zählen aber für diese Strecke tariflich zu Frankfurt. Für Unkundige: Offenbach kann mit Frankfurt politisch in etwa so wie Hund und Katz‘! Die sind sich spinnefeind und lassen das ihre Gäste bei jeder unpassenden Gelegenheit spüren.

So kann deutlich werden, warum der ÖPNV häufig Gegenstand akademischer Erörterungen ist, und der Fahrscheinkauf gerne ein hochwissenschaftliches Studium. Das ginge deutlich attraktiver, aber daran besteht in den Rathäusern offenbar keinerlei Interesse.