Wende?

Innenstadt-Sterben, Verkehrswende, Nahversorgung. Drei Begriffe, eine Gemeinsamkeit!

Was haben die drei genannten Dinge miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nichts, auf den zweiten ziemlich viel!

In diesen Tagen steht in der Zeitung wieder zu lesen, dass die Kaufhäuser in den Innenstädten aus der Zeit gefallen seien. Das ist oberflächlich betrachtet richtig, die Gründe dafür sind aber vielschichtiger und tiefgreifender. Das Angebot ist es nicht! Es ist die Mühe, da überhaupt mal hin zu kommen. Die Stadt hat nur eine Botschaft an Auswärtige: bleibt zuhause, ihr seid hier nicht erwünscht! Was die Politik redet ist das eine, was sie tut aber das andere und nicht weniger deutlich. Die Menschen reagieren darauf!

Wer in die Stadt fährt findet in jedem dritten Schaufenster ein „Zu vermieten!“-Schild! Versammlung der Leerstände. Wo kommt das denn her?! Wieso gehen die Leute nicht mehr so gern in die Stadt zum Einkaufen? Man macht es ihnen unnötig schwer, teils aus politischen Gründen, teils aus Ideologie, teils aus purer Dummheit – und wer seine Sachen auf der grünen Wiese oder online besser bekommen kann bestellt eher und lässt es sich kommen. Dafür beklagt sich dann die Post über das kaum zu bewältigende Paketaufkommen. Diese Dinge gehören zusammen, und einiges andere ebenso.

Kaum jemand der irgend anders kann wird viel Geld für Parkplätze oder ÖPNV bezahlen, zumal es an Zuverlässigkeit hapert. Ich kann jetzt nur von unseren Verhältnissen im Rhein-Main-Gebiet reden, denke aber dass das woanders nicht wesentlich besser sein wird. Ja, es fahren Busse, zumindest auf dem Papier. Wenn das Personal aber abseits dieser Routen wohnt kommt es abends damit schon nicht mehr nach Hause, denn die letzten Fahrten finden auf vielen Linien statt bevor die Läden schließen. Das Angebot deckt nicht den Bedarf, ja man fragt nicht mal wie dieser Bedarf denn ausschaut! Es ist langwierig, umständlich,  unzuverlässig und schon im Nachbarlandkreis quasi nicht mehr vorhanden. Fällt aus irgendwelchen Gründen eine Fahrt aus gibt es keinen Ersatz, man lässt die Leute einfach stehen. Die Verantwortlichen muss es ja nicht scheren wie sie zur Arbeit kommen. Der OB fährt in Darmstadt mit dem Fahrrad und vergisst völlig dass er damit im Odenwald schon alt aussehen würde. Wer in Darmstadt einen Arzttermin hat kommt da mit dem Bus schon garnicht rechtzeitig hin, wenn er in Frankfurt arbeitet. Das dauert alles viel zu lange und ist umständlich. Östlich vom Schloss, also quasi in der halben Stadt,  fahren nur noch Regionalbusse, die städtischen Linien sind seit Jahren eingestellt, was zu einem Sammelsurium unterschiedlichster Linienbezeichnungen führt, die kein Ortsfremder je verstehen wird, geschweige denn unterscheiden kann. Die Linienwege sind keineswegs identisch. So etwas nutzt nur, wer gar nicht anders kann. Mit dem Auto kann man da aber auch nicht, denn die Stadt ist in Sachen Parkraum nur am Abkassieren interessiert, nicht aber an der Bereitstellung hinreichender Mengen. Wie gesagt, für die Profilneurotiker der grünen Partei genügt es ja, die anderen brauchen oder sollen nicht! Was ist der Fehler daran? Ich arbeite wochentags bis 15 Uhr und habe damit schon die Arbeitszeit auf meinen Bedarf hin optimiert. Der späteste Arzttermin in Darmstadt ist aber um 16 Uhr, und das genügt nicht vorn noch hinten, um mit dem ÖPNV rechtzeitig die 12 Km von zuhause zurücklegen zu können, geschweige denn die 50 Km von der Arbeit! Mit dem Auto langt es, man bekommt aber immer seltener einen Parkplatz. Das ist erklärtermassen so gewollt. Und wer kein Auto hat darf verrecken?!

Was soll das?

Man nennt sowas Kirchturmpolitik, wenn eine Stadt sich nur um sich und bestenfalls noch um ihr unmittelbares Umfeld kümmert, aber schon ab der Stadt- oder Landkreisgrenze Ignoranz übt. Als 1994 die Bahn privatisiert wurde – Regionalisierung genannt – meinte die Regierung alles werde besser. Das Gegenteil war der Fall! Es begann ein Wahnsinn, dessen einziges Ziel Kosteneinsparungen waren. Man wollte viel, und das eben billig. Als Folge davon haben wir heute einen Flickenteppich, der weder koordiniert noch funktional ist. Jede Stadt macht was anderes, nichts passt zusammen, und wer von einem Verbund in den anderen fahren muss bekommt im schlimmsten Fall nicht mal eine durchgehende Fahrkarte! Faktisch taugt der ÖPNV bestenfalls für Rentner auf dem Sonntagsausflug in den Biergarten. Die haben Zeit.

Eine Monatskarte für die Strecke Riedstadt-Frankfurt kostet fast 200 Euro. Ob sich das mal ändert? Es wird sicher nicht günstiger. Zuverlässiger würde mir schon reichen.

Davon sollte man aber nicht mal reden, derzeit fallen immer wieder Züge einfach so aus oder fahren nicht den Regelweg. Personal krank, Züge oder Technik kaputt, Bauarbeiten. Kommt der ICE zu spät muss die S-Bahn in die Ausweiche. Nimm die Nächste! Die kommt aber nicht wie in Berlin alle fünf Minuten, sondern bestenfalls nach einer halben Stunde. Wenn die nicht ebenso ausfällt. Dass man so nicht pünktlich zur Arbeit kommt kann klar sein, und das kann sich niemand erlauben – ausser der Bahn. Kommt der Lokführer zu spät fällt halt der Zug aus. Wen stört’s? So wie die sich aufführt ist es da absolut egal, Hauptsache man kommt irgendwann irgendwo an. Der RMV als Verbund ist nicht besser, die Politik auch nicht. Man will die Verkehrswende, sabotiert das aber über das sogenannte Wegerisiko. Der Fahrgast ist demnach auch noch an der ganzen hausgemachten Misere schuld! Zumindest geht die so ausgefallene oder versäumte Arbeitszeit vollständig zu deinen Lasten. Ersatz vom Verursacher Fehlanzeige! Es darf ja nichts kosten. Das würde nämlich rasch so teuer dass die Bahngesellschaften liebend gerne zuverlässig und pünktlich unterwegs wären, wenn sie den Arbeitslohnausfall bezahlen müssten, den sie tagtäglich verschulden.

Ihr wundert euch dass das die Pendler ins Auto treibt?

Der PKW ist das einzige Verkehrsmittel, das unter diesen Bedingungen überhaupt noch

  1. zuverlässig betrieben werden kann
  2. zeitgerecht verkehrt
  3. den Fahrplan einhält
  4. berechenbar ist.

Wer der politischen Agenda folgt und die Bahn nimmt riskiert faktisch seinen Job! Der Hohn aus der Chefetage hilft da keinem weiter. Dann fahr doch einen Zug früher! Dafür muss der erst mal fahren, denn es sind gerade die Frühzüge, die bevorzugt ausfallen, und wer um 6 anfangen soll darf froh sein wenn der früheste Wagen nicht erst um 8 fährt! Los fährt, nicht ankommt. Ist das Stellwerk nicht zu besetzen fährt halt mal einen halben Tag lang überhaupt nichts! Das interessiert keinen Politiker! Deren Sonntagsreden wiederum interessieren mich nicht mehr.

An dieser Stelle habe ich noch wenig zu den Kosten gesagt. Ein Einzelfahrschein nach Frankfurt kostet fast zehn Euro! Hin und zurück sind das also fast 20! Pro Nase. Was eine vierköpfige Familie auf Einkaufstour da zahlt kann sich jeder leicht ausrechnen. Glaubt ihr das zahlt jemand aus Jux? Die Bahncard ist im RMV faktisch wertlos. Da muss man sehr sicher sein das Gesuchte auch zu bekommen, und wer die Realität kennt weiss wie es sich in den Läden da benimmt. Das haben wir nicht da, das müssen wir bestellen. Im günstigen Fall fährt man also zwei- bis dreimal da hin, was Zeit kostet und wie gesagt sehr viel Fahrgeld. Dann soll man wochenlang darauf warten? Einen Liefertermin bekommt man nicht genannt, oder wenn doch sind es pure Absichtserklärungen. Was machen die Leute, so sie können? Sie lassen es sich schicken! Wundert das wen? Mich nicht. Das war schon vor Corona so, jetzt ist es aber unerträglich geworden. Die Läden vor Ort gehen großteils an ihrer eigenen Behäbigkeit kaputt, und an der Politik, die auswärtige Kunden aus der Stadt vergrault.

So kommt eins zum anderen, und als Ergebnis bleiben bei den Läden in der Innenstadt die Kassen leer, bei denen auf der Vorstadtwiese schaut es trotz besserer Erreichbarkeit im Individualverkehr kaum anders aus – auch da stehen immer mehr Verkaufsräume leer – dafür macht der Versand noch die besten Umsätze. Aber auch da ist nicht alles Gold was glänzt. Zu viel leere Versprechungen! Die Menschen halten ihr bisschen Geld zusammen! Auch dafür sorgt die Politik tatkräftig, denn wenn ich erlebe wie das Finanzamt vorgeht wundert es wenig. Im Quartal aus 9000 Euro 6500 Euro Steuervorauszahlung einheben? Ganz normal! Dann kommt dann irgendwann scheinbar anlasslos eine Erstattung von annähernd 5500 Euro als Jahresausgleich. Abschläge werden angesetzt aus den Einkommen der Vorjahre, ob die wieder genauso eingehen oder ausbleiben interessiert niemanden. Um diese Forderungen also bedienen zu können unterbleiben Beschaffungen und Reparaturen. Die öffentliche Hand nennt sowas Haushaltssperre! Die Stimmung unter der Bevölkerung ist mies, und das sollte auch nicht wundern. Vertrauen? Fehlanzeige!

Da fragt ihr euch warum es der Wirtschaft schlechter geht als nötig? Fragt euch selbst, denn ihr habt die Politiker gewählt die das zu vertreten haben! Ich sage nichts gegen Umweltschutz, das ist aber etwas anderes als verunmöglichen, etwas anderes als gängeln, etwas anderes als abkassieren! Ein nutzbarer, funktionierender ÖPNV setzt ein praxisgerechtes, bezahlbares, vor allem aber zuverlässiges  Angebot voraus, das nicht an der Stadtgrenze endet und so als Beispiel auch P+R-Plätze in hinreichender Zahl vorhält, damit Menschen auch umsteigen können. Am Westrand von Griesheim, wo die 9 beginnt, gibt es genau neun (!) legale Parkplätze ohne Parkzeitbegrenzung. Die sind eigentlich immer besetzt, weshalb das Angebot nicht wahrgenommen werden kann. Eine Parkzeitbegrenzung auf eine Stunde macht Parkplätze nutzlos, weil die Zeit nicht reicht um von da mit der Tram in die Stadt zu fahren, einzukaufen, und wieder zurück zu kommen. Wer von Westen her bis Sankt Stephan fährt – da ist der eigentliche P+R-Platz – hat Griesheim schon passiert und kann den Rest auch weiter fahren, sich einen Parkplatz in Darmstadt suchen, in möglichst kurzer Zeit seine Sachen erledigen und wieder verschwinden. Niemand bleibt da länger als nötig. Über den Nordring – die Umgehung – wird man gezielt an allem vorbei geleitet und kommt nie bei einer Umsteigemöglichkeit vorbei. Nichts wie fort mit den Leuten.

Hinzu kommt noch etwas anderes. Glaubt ihr wirklich jemand stiege freiwillig in Bus und Bahn, wo Maskenpflicht herrscht, man die Luft zum Atmen genommen bekommt und Prof. Dr. Lauterbach in Berlin zu jeder unpassenden Gelegenheit das Mantra predigt, wir werden alle sterben? Nein, niemand der kann setzt sich einem vermeidbaren Risiko aus, fährt also im eigenen Auto nur mit bekannten Personen, umgeht so das Risiko, sich bei Fremden was einzufangen, meidet wunschgemäß die Innenstädte und lässt die Läden gut sein. Wenn die dann zusperren, fragt mal in Berlin nach Zusammenhängen! In der ganzen restlichen Welt geht es anders, nur hier begreift man Zusammenhänge nicht! So gelingt keine Verkehrswende! So würgt man eher die Wirtschaft ab. Die Phantasterei vom E-Mobil, das mindestens fünfstellige Beträge mehr kostet als herkömmliche PKW, aber weder die nötige Reichweite hat noch die Ladeinfrastruktur, gehört auch in die Schubladen der Parteien. Wer kann sich das als Normalverbraucher leisten? Ich nicht! Auch ÖPNV könnte an sich oft eine gute und brauchbare Alternative sein – wenn die Verantwortlichen begreifen würden dass es dafür erst mal Voraussetzungen und ein praxisgerechtes Angebot braucht bevor man das Autofahren verteufeln kann.

Anleihe aus dem Sport gefällig? Besuche ein Radrennen, oder einen Volkslauf, oder was immer du magst! Du wirst merken wo da vorn und hinten ist! In den seltensten Fällen gibt es in der Nähe einen Bahnhof oder eine Bushaltestelle, die auch am Wochenende bedient wird, und wenn sie das planmäßig werden würde muss man aufpassen dass der Bus nicht wegen des Rennens gerade da, wo man ihn braucht, umgeleitet oder eingestellt wird. Es ist ja Sonntag, Pendler sind da nach Auffassung der Verantwortlichen nicht unterwegs – und alle anderen interessieren da eh nicht. Es sind oft aber auch die Rennveranstalter, die ihre Wettbewerbe so legen dass Interessierte gar nicht anders als mit dem Auto kommen können, weil man keine Rücksicht genommen hat auf an sich vorhandene Fahrzeiten. Wenn der früheste Bus um 10 Uhr da wäre kann keiner um 9 am Start stehen – ausser mit dem Auto! Man könnte viel organiseren und möglich machen, wenn die Zuständigen denn wollten. So aber reden die nur, und von Geschwätz haben die Menschen denkbar genug.