Fiat Lux!

Es werde Licht! Ist glaub ich Latein. Was ich meine ist Carbon …

Heute stand ein Ausflug nach Koblenz auf dem Programm. Dort ist auch Canyon zu finden. Die Firma, die anfangs glaub ich mal Radsport-Arnold hieß, stellt im Direktvertrieb Fahrräder aller Art her. In Koblenz ist der Showroom, also die Ausstellung, wo man sich die Räder anschauen kann bevor man seine Bestellung aufgibt.

Sollte man meinen. Die Wirklichkeit ist etwas sehr anders!

Das erste Hindernis als Ortsunkundiger ist, erst mal den richtigen Weg zu finden. Auf der Karte sieht das ja immer recht einfach aus. Kommst du in Zielnähe ist da ein heruntergekommenes Sträßchen. Etwas breiter als eine Gasse ist es schon, vom Belag her aber ein besserer Flickenteppich und von der Umgebung her ein besseres Konversionsgebiet. Auf der einen Seite ein seit Jahren unbeachteter Acker, daneben Aldi, auf der anderen Seite ein Autohändler, dahinter rechts ein unscheinbarer Abzweig. Da könnte sich ein Bautrupp lang dran aufhalten. Man sollte nicht meinen mitten in einer Großstadt zu sein.

Fahrt langsam, es lohnt sich! Nachdem man um den Abzweig rum ist tut sich links ein Areal auf. Da residiert Canyon, besser gesagt seine „Hausmesse“. Vom Format her ist der Showroom zwei große Hallen dick und eher eine Messe mit Shopfunktion als nur eine Show. Es ist einer von mindestens zwei Standorten, die es in Koblenz von Canyon gibt. Die Fabrik bzw. die Warenausgabe ist 15 Km per Auto von dort entfernt. Ohne motorisierte Ladefläche dorthin anzureisen lohnt sich wirklich nicht! Nebenbei, stellt euch darauf ein dass das Navi die Adresse nicht kennt! Es ist etwas kompliziert zu finden da draußen „am Autobahnkreuz“ neben Amazon und Hermes. Die Straße heisst wirklich so.

Angekommen stehst du nicht etwa vor den Rädern. Den Weg dorthin versperrt derzeit dank Corona ein großes Schild. „Schön dass du da bist! Bitte melde dich am Empfang!“ Dort werden erst mal deine Daten aufgenommen, Vorschrift ist Vorschrift, auch wenn zu diesem Zeitpunkt du noch garnicht weisst ob der Aufenthalt dort dich deinem Ziel näher bringt.

Um es gleich zu sagen: Ohne Berater sprich Aufsicht bewegst du dich dort im Innenraum keinen Meter! In den Hallen dürfen sich nur beschränkt Leute aufhalten, das ist derzeit nun mal so. Der Rest findet darum sehr weitgehend draussen statt.

Der nächste Stop nach dem Empfang ist ein Zelt etwa zehn Meter weiter hinten, dort wirst du vermessen. Danach weisst du wenigstens wie groß dein Rad zu sein hat. Da du vom Empfang einen Chip bekommen hast, der dir am zweiten Zelt hinter der Vermessung einen Kaffee einbringt, vergeht die Wartezeit wie im Flug bis der nächste Berater frei ist. Du wirst per Handy angerufen, dafür die Datenerfassung am Empfang. Bei mir hat das etwa eine Stunde gedauert. Samstag Morgens ist dort Andrang, als gäbe es was gratis! Fliessbandabfertigung. Von da her muss die Firma eigentlich eine Gelddruckanstalt sein. Wir sind da zwar nicht beim billigen Jakob, aber die Räder sind dank Direktvermarktung doch erheblich preiswerter als beim Händler vor Ort. Die machen da also irgendwas richtig. Im weiten Umkreis waren alle Parkplätze belegt. Vor allen Dingen können sie liefern, in der Regel wenigstens! Wenn ich da sehe wie der sonstige stationäre Handel jammert muss man sich doch fragen, ob der Rückzug auf Aussagen wie „Wir sind leider ausverkauft und werden dieses Jahr auch nichts mehr herein bekommen“ so zielführend ist. Sicher ist manches Modell auch bei Canyon aktuell nicht zu haben, aber das sollte kein Dauerzustand sein der den Rest der Saison andauert. Nein, ich hetze nicht. Was ich schreibe liegt hier schriftlich auf meinem Tisch!

Es lohnt sich, sich vorab umzuschauen und einige infrage kommende Räder auch bei der Konkurrenz auf einen Zettel zu schreiben. Man kann da ein wenig nachdenken was man eigentlich will, und verfällt nicht ins Chaos wenn es dann darum geht Nägel mit Köpfen zu machen. Bist du nämlich erst mal dran geht es recht rasch von der Bühne. Man hat zur Probefahrt je Modell und Rahmengröße eins da. Zwar nicht jede Farbe, aber das Modell an sich. Du kannst also testen bis du weisst was richtig ist.

Für mich kam eines aus der Lux-Modellreihe infrage, nur welches? In der Nachschau darf ich sagen das Rad ist ein Suchtmittel. Sitzt du mal drauf willst du nicht wieder runter. Aber wir wollen ja fertig werden und noch gehörte es mir nicht.

Steht fest was zu dir passt beginnt eine Lotterie. Wenn du Glück hast trennen dich da nur noch eine Gipswand oder eine Autofahrt vom Ziel deiner Träume. Da gibt es ein gewisses Kontingent an Lagerbestand, also Räder die so am Lager sind dass sie verschickt werden könnten – und die kann man auch selbst mitnehmen. Einige stehen hinter dem Showroom, andere im Lager der Fabrik. Dafür bekommst du nach dem Bezahlen an der Kasse einen Wegeplan – und der war für mich leider eine Falle! Wie gesagt, der QR-Code wollte eine App installieren, deren erste Amtshandlung der versuchte Abschluss eines Abos war – Vorsicht Falle! – und die angegebene Adresse kannte das Navi nicht. Aber Google kannte sie!

Nun ist es ja verboten während der Fahrt auf sein Handy zu schauen. Zum Glück in dieser bescheidenen Lage kamen recht viele rote Ampeln. Ich war selten so froh darüber!

Dauert ein normaler Fahrradkauf gewöhnlich nicht länger als eine halbe Stunde war es hier von der Ankunft gegen elf Uhr inzwischen Kaffeezeit geworden bis ich die Warenausgabe an der Fabrikhalle gefunden hatte. Es ist zugegebenermaßen etwas kompliziert, auch wenn ein Ortskundiger vermutlich meinen wird, was man denn für ein Problem damit habe. Umwege erhöhen halt anfangs die Ortskenntnis, dann ist die wichtigste Brücke wegen Bauarbeiten gesperrt und die Umleitung führt dich ins Nirwana. Wer weiss wie er fahren muss findet auch die letzte Hütte im Nirgendwo. Alle anderen stehen in der Stadt und verstehen nur Bahnhof.

Wobei von der Tour mit dem ÖPNV dringendst abzuraten wäre. Nicht weil Koblenz kein gutes Busnetz hätte, aber du hast hernach eine große Kiste als Weihnachtsgeschenk, und die will erstmal transportiert werden. Das ist nichts für Damenhandtaschen.

Angekommen steht da ein großer – in Worten großer – Pappkarton. Wo ist das Fahrrad? Wer mit einem Radträger angereist ist hat an diesem Punkt verloren! Du brauchst eine umklappbare Rückbank und Stauraum ohne Ende!

Du bekommst kein Fahrrad, du bekommst Arbeit! In dem Karton ist das, was du auch etwas später gegen Aufpreis per Post bekommen hättest, nämlich ein Bausatz. Werkzeug liegt bei. Damit das Rad überhaupt in die Kiste passt ist es großteils zerlegt und du darfst es dir zuhause zunächst zusammen setzen.

Das ist also ungeeignet für Leute mit zwei linken Händen, an denen jeweils fünf Daumen wachsen, und die vielleicht auch noch eine Werkzeugallergie haben. Du solltest schon wissen was eine Zange ist und wie man mit einem Drehmomentschlüssel umgeht, oder dir fachkundige Hilfe organisieren. Das kleine 1×1 der Fahrradmechanik ist gewiss hilfreich, vor allem wenn man mit Carbonteilen werkelt. Ihr wisst schon: nach fest kommt ab!

Morgen ist Sonntag. Basteltag!

Den Karton solltest du dir aufheben, du brauchst ihn wieder wenn du nicht zufällig Besitzer eines Radkoffers bist. Spätestens bei der nächsten Urlaubsreise mit Rad wirst du froh darum sein.

EDIT 1 – 26.7.2020:
Am nächsten Morgen folgte nach der Freude vom Vortag die Ernüchterung. Beim Auspacken des Kartons stellte sich heraus dass darin die falsche Rahmengröße steckte! Der Aufkleber mit der Rahmengröße ist von oben bei eng bepacktem Karton nicht sichtbar und erst nach Zerlegen des Pakets zu erkennen.

Der Statistik muss doch genüge getan werden. Fast alles, was ich an Gerät kaufe muss ich mindestens einmal umtauschen oder reklamieren bis es geht!

Also darf ich morgen, Montag, mal in Koblenz anrufen wie man sich den Austausch vorstellt. Komme mir keiner mit wochenlangen Wartezeiten! Dann dürft ihr erleben dass ich sauer werden kann. Bei der Warenausgabe ist ein Irrtum unterlaufen. Überall wo Menschen arbeiten werden – und in gewissen Grenzen dürfen – auch Fehler passieren. Wenn man dazu steht und es richtet ist das nur ärgerlich.

Andernfalls ist es schlimm!

EDIT 2 – 27.7.2020
Wie bereits gesagt habe ich gerade VERSUCHT, bei Canyon in Koblenz anzurufen.

Vergiss es! Da läuft ein Tonband, man habe gerade SOOOOO viel zu tun dass man für seine Kunden nicht erreichbar sei! Im Klartext: die haben ihr Telefon einfach mal so abgestellt! Und das Kontaktformular bittet um 14 Tage Geduld, bis man Antwort erhalte. Das ist indiskutabel!

Ich finde das hart an der Grenze zur Kriminalität! Es geht hier nicht um Schönheitsmängel, sondern um Nichtnutzbarkeit eines bezahlten Produkts, zumal ich diesen Mangel nicht zu vertreten habe. Nach den Bestimmungen darf ich das Rad ja nicht mal fertig aufbauen, um prüfen zu können, ob der nominell zu große Rahmen eventuell nicht doch akzeptabel wäre.

Ich habe hier also ein Fahrrad, das ich nicht benutzen kann, und einen Service, der sich am Telefon verleugnen lässt statt das Nötige zu tun um das Problem unbürokratisch zu lösen!

Mein Eindruck: Canyon möchte gern miese Presse und Prozesse! Kann man haben!

Ich werde als letzten gütigen Versuch nun ein Fax senden. Wenn darauf bis Ende der Woche keine Reaktion erfolgt stehe ich dort am kommenden Samstag wieder auf der Matte. Ohne Erfolg geht die Sache danach ohne jede weitere Diskussion zum Anwalt. Ich werde nicht warten bis auch die passende Größe ausverkauft ist!

Auch wenn die Räder augenscheinlich sehr gut sind – von einem Kauf dort muss ich angesichts dieser Umstände DRINGEND abraten!


Für ein Fazit ist es sicher noch zu früh. Dennoch muss ich eins sagen: Nach der Probefahrt war ich überzeugt. Jetzt steigt das Frust-Niveau mit jeder Stunde, die ohne Reaktion seitens Canyon vergeht!

Liebe Leute, was glaubt ihr mit der Methode erreichen zu können? Anhaltendes Schweigen kostet euch Kunden, und bald viel Geld.  Euer Verhalten beschädigt mein Vertrauen in die ganze Branche!

Es kann allen klar sein was folgt wenn ihr nicht ziemlich bald für Abhilfe sorgt. Spätestens mit Ablauf der von euch gewünschten 14 Tage liegt die Sache irreversibel beim Anwalt, die Deckungszusage der Versicherung hole ich mir schon früher. Ihr könnt einen Prozess nicht gewinnen, also lasst es besser garnicht erst darauf ankommen und antwortet – jetzt!

EDIT 3 – 28.7.2020
Oh Wunder – es kam eine eMail aus Koblenz!
Da schaut her, geht doch… Allerdings, wenn ich die so lese fühle ich mich nicht recht ernst genommen. Da steht, ich könne das Paket zum Showroom bringen oder schicken und wenn demnächst die Retoure verbucht sei werde man mir das richtige Rad schicken. Anfang bis Mitte August! Nun, die Bestellung hat man dort schon ausgefüllt – für erneut 6800 Euro! Vorauskasse versteht sich! Bin ich Krösus? Ich soll also für etwas in Vorleistung gehen das ich nicht zu verantworten habe und dann meinem Geld nachlaufen? Abgesehen davon dass ich nochmal soviel Kohlen nicht habe ist das ausgesprochen unseriös.

So nicht Freunde! Wenn ich euch das „unpassende“ Rad bringe möchte ich das Passende auch mitnehmen dürfen. Alles andere diskutiert sich nicht.

EDIT 4 – 30.7.2020
Wie angekündigt war ich gestern wieder in Koblenz, um das Paket abzuliefern, in der Hoffnung, das „richtige“ mitnehmen zu können. Trugschluss! 1.) Man könne die Retoure nicht gleich einbuchen, da bei der Verbuchung der Ausgabe Fehler gemacht wurden. Schon wieder? 2.) Im Handlager ist kein passendes Rad vorhanden und im Hauptlager kein Personal das die Ausgabe machen könne. 3.) Wenn ich am Samstag Nachmittag noch einmal komme sei alles bereit. Versprochen! Sind ja nur 135 Km je Richtung … ggf. zuzüglich einer Stadtrundfahrt bis man da wieder raus ist. Koblenz ist ein Auto-Moloch mit teils komplizierten Kreiseln und Brücken mitten in der Stadt, bei denen man teils binnen 50 Meter vier Fahrbahnen wechseln muss um den Abbieger zu schaffen. Ich weiss nicht wer sich das ausgedacht hat – praxisgerecht ist anders.
Sorry, wenn ich solche Aussagen höre muss ich denken, es wäre vielleicht besser die Jungs nochmal auf die Berufsschule zu schicken? Den Beleg, den man mir mitgegeben hat als Quittung für die Rücklieferung, würde ich als Beamter niemals sachlich richtig zeichnen! Schlimm genug wenn sowas passiert. Noch schlimmer wäre es allerdings wenn es wahr ist, denn ein Kaufmann, der keine Übersicht über seinen Warenbestand hat und dessen Buchhaltung vom Zufall abhängt hat ein enormes Problem und ist bald pleite! Angeblich sollen 18 Räder der passenden Art und Größe im Lager verfügbar sein. Wenn ich die Begleitumstände berücksichtige würde es mich nicht wundern wenn ich am Samstag da hin käme und der Lagerbestand wäre wundersamerweise verschwunden! Geglaubt wird in der Kirche, sagt man. Ich glaube nur noch was ich in Händen halte! Denn das weiss ich dann.

EDIT 5 – 3.8.2020
Ein Lux ist da! Fast wie ein Wunder.
Ja, die Lage war am vergangenen Samstag zunächst etwas suspekt, als ich da gegen 13 Uhr wie verabredet ankam und kurz davor eine Mail meiner Voicebox mitteilte, dass die Nummer von Canyon angerufen habe. Da war ich auf der Autobahn. War da wieder was im Busch? Nun, auf Büsche sollst du klopfen, wenn es nötig ist, und so schien es erst mal auch. Das Personal war nett, erschien mir aber erst mal etwas desorientiert. So wurde ich – wieder mal – vor der Anmeldung „geparkt“, während ein junger Mann im Haus verschwand um nachzusehen was da Sache war. Gut, aus dem Kopf kann er´s nicht wissen, aber es machte den Eindruck als würde es gleich die Fortsetzung der „unendlichen“ Geschichte geben! Als er wieder kam sollte ich ihm folgen … hinten rum zum Ausgang von der Kasse. Dort stand unscheinbar hinter der Ecke ein fertig aufgebautes Rad, zu dem man mir eröffnete dass es jetzt meins sei.
Okay … Überraschung! Mit so ziemlich allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit.
Die erste „Probe“fahrt am Sonntag hinterließ einen guten Eindruck. Sicher werde ich mich daran gewöhnen müssen, aber ich konnte nicht feststellen dass etwas nicht in Ordnung sei, soweit man das als Halblaie bemerken könnte. Das Rad fährt sich gut.

Fazit:
Canyon ist in mancherlei Hinsicht eine merkwürdige Firma. Hochmotiviertes Personal und gute Räder auf der einen Seite, eine augenscheinlich etwas chaotische Verwaltung auf der anderen. Wer bei Canyon kauft sollte sich darauf einstellen, Durchhaltevermögen und eine gute Portion Hartnäckigkeit zu benötigen. Die Räder sind, soweit ich das beurteilen kann, durchweg empfehlenswert. Aber wenn ihr das Paket bekommt kontrolliert lieber jedes Detail zweimal. Ist etwas nicht in Ordnung überlegt euch ob ihr direkt nach Koblenz fahren könnt. Es wirkt Wunder wenn ihr persönlich auf der Matte steht und nicht so einfach auf eine virtuelle lange Bank geschoben werden könnt. Manche Dinge dauern sonst etwas länger als nötig. Mein Eindruck: Viele Köche verderben den Brei! So sollte ich ja auch anfangs das Ersatzrad per Post erhalten, worauf ich dann noch zwei Wochen bis Mitte August hätte warten dürfen, soweit ich das der Aussage des Supports entnehmen konnte. Da hilft nur standhaft sein und Klartext reden! Auch ich hatte nicht gleich gemerkt dass ich anfangs die falsche Größe bekommen hatte! Die Rahmengröße ist zwar auf dem Aufkleber mit der Modellbezeichnung eincodiert, aber offensichtlich so dass nicht mal das eigene Lagerpersonal es immer richtig übersetzen kann. Dass es danach eine ganze Woche und drei Fahrten nach Koblenz gebraucht hat um das zu richten lest ihr weiter oben. Bleibt freundlich, aber sagt konkret an was das Problem ist! Es führt zu nichts die Jungs und Mädels für die Versäumnisse im Büro verantwortlich zu machen. Allerdings erscheint es als ob der Workflow als solches optimierungsbedüftig sei. Wie sonst kann es sein dass während der Abwicklung Probleme auftauchen, die der Kunde üblicherweise nicht zu Gesicht bekommen sollte, wie z.B. nicht beendete Umbuchungen.