Freiburg

Carpe Diem! Nutze den Tag!

Gestern war so einer. Ein Tag zwischen zwei Stürmen, von dem der Wetterbericht frühsommerliche Bedingungen vorhergesagt hat. Es hat sich gelohnt, früh aufzustehen und einen Ausflug zu machen.

Die 900 Jahre alte Breisgau-Metropole ist ein Füllhorn an Überraschungen. Man kann sie fünfmal besucht haben und hat doch noch lang nicht alles gesehen! Nach den Zerstörungen des letzten Krieges findet man auch in der Innenstadt etliche Bausünden, aber im Großen und Ganzen mutet die Stadt doch immer noch an ihre vorderösterreichische Vergangenheit an, und man könnte meinen in Innsbruck zu sein.

Wer mit dem ICE in Freiburg ankommt ist gleich mitten in „Kulturbetrieb“, denn der gewöhnliche Ausgang führt nicht zwingend durch den Ausgang vom Bahnhofsgebäude, sondern über die Stadtbahnbrücke am südlichen Ende der Bahnsteige. Dort gibt es auch Aufzüge für Leute mit Gepäck oder Rollstühle. Die Treppen sind lang, denn die Brücke ist hoch! Eine Rolltreppe gibt es nur am Gleis 1, und die führt immer aufwärts. Wer also mit viel Gepäck zum Zug will, und die Fernzüge nach Norden fahren nun mal von Gleis 1, tut gut daran den anderen Zugang durch das Hauptportal zu wählen.

Die Stadtbahnbrücke ist mehr als nur eine Brücke. Sie ist der Zugang zur Stadt, dort halten die Straßenbahnen in fast alle Stadtteile und zur Messe. Auch bietet die Aussicht von der Brücke gleich am Anfang einen raschen Überblick über die Gegend. Die Brücke ist lang, sehr lang, und wer sie ostwärts begeht kommt an ihrem Ende schon beim Stadttheater an, kam beim Konzerthaus vorbei und hat den Busbahnhof überquert. Das andere Ende in westlicher Richtung führt in den Stadtteil Stühlinger mit dem Rathaus und einer sehr schön gestalteten Kirche. Weniger bequem ist derzeit dieser Fussweg aufgrund einer Baustelle. Suche den Weg, oder nimm gleich die Bahn. Zwei Stationen nach Osten ist man mitten im Zentrum. Auf der Brücke muss man aufpassen, obwohl sie völlig autofrei ist. Zwar gibt es gleich parallel eine andere, eigens für den Radverkehr ausgewiesene zweite Querung der Badischen Hauptbahn, aber wie das nun mal so ist nehmen auch die Radfahrer in der „Fahrradhauptstadt“ Deutschlands gerne den direkten Weg, und der führt nun mal von Ost nach West oder umgekehrt über diese Brücke. In deren Mitte fährt die Straßenbahn, und das in der Hauptverkehrszeit im Perlschnurprinzip.

Die Stadt bietet auch einiges an virtuellen Rekorden. Durch geschickte „Eingemeindungen“ kommt man dort auf einiges an Höhenmetern zwischen dem Stadtteil Landwasser im Westen bis zum Schauinsland im Südosten. Auch einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr nennt man dort sein Eigen, auch wenn man rückblickend sagen muss dass man einiges anders besser machen könnte. So sind gerade manche Hanglagen nicht unbedingt gut erschlossen, und Verknüpfungspunkte zu anderen Linien ließen sich sicher attraktiver gestalten. Das Netz ist aber historisch gewachsen und kann nicht mehr beliebig geändert werden. Auch der Namenspatron eines anderen neuen Stadtteils, Vauban, hat gerade auf dem Schloßberg seine Spuren hinterlassen, in Gestalt verschiedener Ruinen. Louis der Vierzehnte, besser bekannt als der Sonnenkönig von Frankreich, meinte damals Krieg führen und dazu der Stadt eine seiner Festungen überhelfen zu müssen, die später in die Luft gejagt und anderweitig genutzt wurde. Hinterlassenschaften aus dieser Zeit finden sich aber auch heute noch überall. Vom Kanonenplatz aus hat man eine herrliche Aussicht über die Stadt (auf dem Foto ein Blick auf die östlichen Stadtteile hin ins Dreisamtal), und hinauf kommt man bequem mit der Schloßbergbahn. Der Fahrpreis von 5,50 Euro für den Schrägaufzug ist gut angelegt, will man nicht mit hängender Zunge oben ankommen. Der Aufstieg zu Fuß ist durchaus möglich, aber nur robusten Gestalten zu empfehlen! Dasselbe gilt für den weiteren Weg zum Aussichtsturm, der nochmals eine bessere Aussicht bietet, die aber hart erarbeitet werden will. Bergfestes Schuhwerk ist da ein Muss wenn man die ausgewaschenen Wege voller Geröll sieht.

Wenn wir gerade beim Fahrgeld sind, die Tageskarte für den innerstädtischen Nahverkehr kostet für eine Person 6,70 Euro und ist gut angelegtes Geld. Vom Hauptbahnhof bis zum Bertholdsbrunnen, dem Stadtzentrum, sind es nur wenige Haltestellen, die man auch gut zu Fuss gehen kann, aber später wenn es in die Randbereiche geht wird man den Zug gerne nutzen. Die Linie 1 von Littenweiler bis Landwasser fährt immerhin doch eine halbe Stunde. Wer eine BahnCard besitzt und mit dem Fernzug anreist bekommt beim Buchungsprozess möglicherweise eine Option angezeigt, die diese Zusatzleistung beinhaltet. Aufpassen! Das heisst dann nicht Tageskarte, oder wie der Verbund sie nennt „Regio24“, sondern „City mobil“, kostet das gleiche und löst bei einer dort häufigen Fahrscheinkontrolle erst mal große Augen aus. Manche Kontrolleure scheinen diese Möglichkeit einer Fahrkarte nämlich noch nicht zu kennen. Ich kannte sie bislang auch nicht, die Option scheint neu zu sein.

Bleiben wir vorerst in der Altstadt.
Die Stadt schmiegt sich weitgehend an die Hänge des Schwarzwaldes. Samstag Morgen ist auf dem Münsterplatz Markt, und was für einer! Statt der sonst dort anzutreffenden Wurstbuden war der ganze Platz gestern voll mit Ständen aller Art, von Wachskerzen über Wurst und Käse, Brot und Gemüse bis hin zu Blumen. Ach was rede ich, Blumen … es hätte nur noch Frau Antje bedurft um das Holland-Feeling perfekt zu machen! Nur ganz billig ist der Spaß nicht – 20 Euro für einen Strauß Blumen muss man schon anlegen. Da stellt sich zumindest mir die Frage ob da die Investition in einen gut gemachten Strauß Seidenblumen nicht doch die bessere Wahl ist. Der verwelkt nicht und sieht zumindest aus der Ferne täuschend echt aus!

Der direkte Weg vom Bertholdsbrunnen zum Münsterplatz führt über die Haupteinkaufsstraße Freiburgs, der kurz „KaJo“ genannten Kaiser-Joseph-Straße. Dort gibt es aber ausser den üblichen Konsumtempeln wenig interessantes zu sehen. Man kann auch einen Abstecher nach Süden machen und durch das Martinstor gehen, denn dort schließen sich gleich Fischerau und Gerberau an, zwei illustre (nasse) Gässchen mit Bachlauf. An deren Ende zum Holzmarkt hin findet sich eine gut sortierte Konditorei. Vorsicht, wer da zu lange vor dem Schaufenster steht wird alleine vom Sehen dick. Außerdem ist dieser Stadtteil mit seinen teils mit alten Fassaden geschmückten Häusern wesentlich interessanter als die austauschbaren Betonbunker der Warenhausketten, einmal ganz davon abgesehen dass man in einer Parallelstraße, der gut versteckten Grünwälder Straße (nein, wir sind nicht in München!) ein kleines, aber feines Geschäft mit Radsportbekleidung findet – Dos Caballos. Wer sich näher darüber informiert merkt wer da seine Kenntnisse aus der früheren Praxis in Schneiderarbeit gegossen hat: Marc Hanisch.

Überhaupt kann auffallen, dass es in der Stadt an jeder zweiten Ecke einen Fahrradladen und alleine im Abschnitt zwischen Stadttheater und Bertholdsbrunnen gleich drei Buchhandlungen gibt, die wohl alle ein gutes Auskommen haben, auch wenn die meisten davon nicht allzu groß sind.

Der Weg führt weiter ostwärts durch den Stadtteil Oberlinden zum Schwabentor, womit das andere Ende der Altstadt erreicht wäre. Durch die malerischen Gassen geht man weiter und erreicht am Nordende der Altstadt den Karlsplatz, der hier mal nichts mit dem Münchner Äquivalent, dem Stachus, zu tun hat. Auf dem Platz liegt der Karlsbau, eine weitere Bausünde aus Beton. Vor allem aber fällt man auf dem Platz über die nächste große Brücke, die als Fußgängersteg rüber führt zum Schlossgarten, in dem sich hinter einem gut gehenden Kiosk die Talstation der Schloßbergbahn befindet. Allerdings wird man da kein Schloß finden. Das ist kaputt. Seit dem Umbau seinerzeit von einer Gondelbahn zum Schrägaufzug pendelt eine Kabine auf Gummirädern den Berg rauf und runter, angetrieben von einem Drahtseilzug mit Gegengewicht. Das technisch Interessante an dieser Konstruktion ist, was Fahrgästen kaum auffällt. Der Neigungswinkel des Fahrwerks ist nämlich verstellbar, da sich eben jener der „Fahrbahn“ an den Berghang anpasst und somit nach oben immer steiler wird, ohne dass sich die Kabine winkelmäßig bewegt. Die bleibt gerade, nur hört man im Boden ab und zu einen Elektromotor arbeiten.

Der Weg von der Bergstation zum Kanonenplatz ist fast eben und gut begehbar. Man hat eine herrliche Aussicht auf die Umgebung und auf die Stadt, aus der Ferne grüßen die schneebedeckten Gipfel der Vogesen.

Der weitere Aufstieg zum Aussichtsturm wird beschwerlich! Die Wege sind renovierungsbedürftig zu nennen, vor allem hindert das Geröll darauf am guten Vorwärtskommen. Oben angelangt steht man vor einer Konstruktion, die aus allerlei Gründen an moderne Kunst erinnert. Im Zentrum eine Wendeltreppe, die mit erreichen der oberen Plattform noch lange nicht endet. Man kann noch eine „Etage“ höher steigen, allerdings sollte man dazu sehr schwindelfrei sein!

Die Aussicht von dort ist atemberaubend, allerdings ist etwas Gottvertrauen nötig, fängt der Turm doch an zu schwingen wenn jemand die Treppe benutzt! Stabil geht wohl anders.

Wieder runter kommt man über einen schmalen aber gut begehbaren Serpentinenweg, der Gipfel und Bergstation miteinander verbindet. Wegweiser gibt es kaum, aber etwas Orientierungssinn hilft. Die Angaben auf dem Schild an der Bergstation sind etwas zynisch. 500 Meter bis zur Aussicht – das ist weniger horizontal als vertikal gemeint!

Hat man sich die Altstadt ausreichend angesehen bleibt noch genug Zeit für ein paar Abstecher in die Vororte, hier ganz besonders der über Günterstal zur Talstation der Schauinslandbahn, die auf den Hausberg der Stadt führt. Für diesen Ausflug sind mindestens drei Stunden Zeit zu veranschlagen, eher mehr wenn man oben im Gipfelrestaurant noch etwas essen will. Das ist eigentlich ein eigener Halbtagesausflug. Es muss nicht erwähnt werden dass bei passendem Wetter die Aussicht von dort noch einmal bedeutend großartiger ist, allerdings ist die Bahn nicht ganz billig und nicht in den Verkehrsverbund eingeschlossen, obwohl auch sie im Eigentum der Stadt ist. Bei schönem Wetter ist mit Wartezeit für die Auffahrt zu rechnen.

Weniger bekannt ist bei Touristen der Stadtteil Landwasser. Woher der komische Name? Wer bis zur Endhaltestelle Moosweiher fährt lernt warum die so heisst. Hätte man die Bahn noch 100 Meter weiter gebaut wäre sie nass geworden. Hinter den Hochhäusern der Wohnsilos liegt ein gar nicht so kleiner See mit einem schönen Uferweg.

Man kann in der Nähe der Schloßbergbahn auch am Europaplatz in die Linie 4 steigen, die zur Messe fährt. Zwar steht „Messe“ an der Bahn, das ist aber derzeit noch „Zukunftsmusik“ und Absichtserklärung, denn derzeit ist die Endhaltestelle noch an der Technischen Fakultät der Uni, die gleich neben der S-Bahn-Haltestelle gleichen Namens liegt. Ja, Freiburg hat eine S-Bahn, auch wenn der Name etwas darüber hinweg täuscht dass da mehr Schein als Sein ist.

Zur Messe selbst muss man noch etwas laufen. Betrieb ist da aber fast jedes Wochenende, wenn man den Werbetafeln am Zaun Glauben schenkt. Fährt man raus sieht man derzeit, dass die Stadt Geld hat! Da wird gebaut! Die ehedem autobahnähnliche Umgehungsstraße ist auf zwei schmale Behelfsfahrbahnen geschrumpft, in der Bildmitte legt man Schienen für die Fortsetzung der Straßenbahn, im Hintergrund entsteht das neue Stadion des SC Freiburg, und dazwischen liegt kaum sichtbar noch die Landebahn des örtlichen Flugplatzes, wobei man in der Lokalpresse schon lesen kann, dass die Politiker überlegen, diesen aufzugeben um so günstig an Bauland zu kommen! Man darf sich jedoch nicht täuschen lassen. Es kann durchaus sein dass einem ahnungslosen Fussgänger in zehn Metern Höhe plötzlich ein Flugzeug über den Kopf fliegt, weil die Straße genau im Anflugbereich der Landebahn liegt!

Am anderen Ende der Stadt liegt der Stadtteil Littenweiler, den man entweder mit der S-Bahn oder mit der Tram erreichen kann, wobei hier sichtbar wird was ich eingangs damit meinte, man könnte die Verknüpfungspunkte des ÖPNV verbessern. Der Endhalt an der Lassbergstraße in Littenweiler liegt nur wenige hundert Meter vom Bahnhof entfernt, in dessen unmittelbarer Nähe auch eine Hochschule liegt. Warum hat man die Wendeschleife nicht dorthin gebaut, als man noch konnte? Kein Platz? Glaub ich nicht, für den Straßentunnel darunter war auch Platz! Die Tram kommt auch am Sportgelände der Uni vorbei, was eine gute Verbindung bedeutet hätte. Auch hat man jüngst beim Ausbau der Höllentalbahn nur einige wenige neue Ausweichen angelegt statt die Gleise gleich zweispurig auszubauen. So wird immer noch ein verspäteter Gegenzug den gesamten Fahrplan aus dem Takt bringen.

Eigentlich wollte ich mir in Littenweiler auch noch das alte SC-Stadion ansehen, habe es aber nicht gefunden. Das hat man davon wenn man sich als Stadtplan auf Google Maps verlässt um Gepäck zu sparen und vor Ort das Handy meint, es habe gerade kein Netz! Das nächste Mal greifen wir also wieder zur Papierausgabe. Die geht immer. Wenn man sich die Szene auf der Landkarte anschaut wird man stutzig. Eigentlich kommt das Stadion als große Anlage daher, die im Grunde genommen nicht zu übersehen sein dürfte. Doch Irrtum. Wenn man dort ist sieht man alles, nur kein Stadion!

Bis zur Heimfahrt blieb da dann gerade noch genug Zeit, etwas zu essen und zurück zum Hauptbahnhof zu fahren. Die Züge fuhren diesmal pünktlich, die Bahn kann es also wenn sie will. Womit sie immer wieder Schwierigkeiten hat war auch diesmal die Wagenreihung, was durchaus wichtig ist wenn man einen Sitzplatz reserviert hat und deswegen den richtigen Wagen finden muss. Auf den Aushang mit dem Wagenstandsanzeiger war wegen „geänderter Wagenreihung“ kein Verlass und Zeit zum Suchen ist auch nicht wenn der Zug erstmal einfährt. Es wäre da eine gute Idee, den aktuellen Wagenstand auf dem Handy verfügbar zu machen. Die Daten sind vorhanden, denn die Auskunftsbeamten sehen sie auch auf ihrem Bildschirm. Man muss aber jedes mal erst fragen, was Zeit kostet die man in der dann ausbrechenden Hektik eben nicht hat.

Abschließend noch eine Anekdote der kühlen Art. Am Stadttheater befindet sich ein Eissalon. Man sollte nicht meinen dass der im Februar, also eigentlich im Hochwinter, gute Geschäfte macht. Gestern stand dort eine Schlange zweihundert Meter auf die Straße raus …

Es werde Sommer!