Hinterzarten

Hinterzarten ist ein Kurort am östlichen Ende des Höllentals im Hochschwarzwald, zählte jüngst reichlich 2500 Einwohner und hat eine lange Geschichte auf dem Buckel. Sehenswert ist die Gegend ohnehin! 

Zusammen mit Breitnau, dem nächsten nordwestlich davon gelegenen Dorf, bildet es eine Verwaltungsgemeinschaft. Hinterzarten hat allerdings diesem gegenüber einen enormen Vorteil, es hat einen Bahnhof! Man braucht also nicht unbedingt ein Auto zum Hinkommen.

Dieser Bahnhof ist derzeit allerdings wie die komplette Höllentalbahn „ausser Betrieb“. Man leistet sich sozusagen eine Luxussanierung und baut sich eine S-Bahn. Was Frankfurt, Stuttgart und München haben braucht Freiburg halt auch. Bislang firmierte die Strecke von dort nach Breisach ja schon als Breisgau-S-Bahn, allerdings von den Einheimischen und Kennern der Szene gehässig als Ofenrohr-S-Bahn verspottet, fuhren dort doch Regioshuttles im Dieselbetrieb. Die Frage nach dem Kosenamen beantwortet sich mit einem Blick auf das Dach der Züge, wenn man sich den Auspuff etwas näher ansieht. Es sind keine „schlechten“ Züge, nur bei dem regelmäßigen Bedarf etwas beengt.
Nun will man den großen Wurf und baut alles was man regional an Bahnen hat um, allerdings nur die Bahnsteige. Es bleibt sonst bei dem vorhandenen einen Gleis, was meiner Meinung nach der Pferdefuss einer solchen Strecke ist. Ein dichter Takt geht eben nur, wenn die Züge auch aneinander vorbeikommen statt unten erst losfahren zu können wenn der talfahrende Zug angekommen ist. Immerhin ist die Höllentalbahn im Abschnitt von Himmelreich bis Hinterzarten die steilste Gebirgsbahn Deutschlands! Früher bekamen die 218er mit dem Kleberexpress nach München Nachschub mit einer E39, um die Rampe zu schaffen – und dann bitte bloss nicht unterwegs anhalten! Es konnte sonst leicht sein dass Wiederanfahren zur Kunst wurde.

Bleiben wir aber lieber mit der Kirche im Dorf.
Wenn man der Entstehungsgeschichte glauben schenkt begann alles vor vielen Jahrhunderten mit einem Kirchlein. Daraus bildeten sich Dörfer, das weitere kommt einem Frankfurter Bub bekannt vor. Hüb´de Bach, drüb ´de Bach! Hier nur eben statt dem Main mit der Landstrasse, die als damals einzige Verbindung durchs Höllental führte. Aus „Hinter der Straße“ aka Breitnau und „In der Zarten“, wie man die Pfarrkirche vom Dorf nannte und nennt, wurde im Lauf der Zeit durch Weglassen eben Hinterzarten. So stark vereinfacht die Überlieferung.

Flächenmäßig ist die Gemeinde ein Riesengebilde und reicht fast bis zum Feldberg. Da die Bahn wegen der Baustelle nicht fuhr ging es eben mit dem Ersatzbus in den Wald. Die Bushaltestelle am Bahnhof ist regulär, der Weg dahin beileibe nicht! Kommt man ahnungslos dort an bekommt man erst mal einen Schock, denn der Bus fährt zunächst mal durch. Mangels anderem Ausgang aus der Sackgasse, die die Bahnhofstraße aus politischen Gründen nun mal ist muss er hinten erst mal durch eine Wendeschleife, bis er vorne wieder an der Haltestelle ankommt. Alle halbe Stunde wiederholte sich dieses derbe Stück.

Hat man das Ziel der Wünsche also endlich erreicht ist man auch schon mitten im Geschehen. Rechts das „Erste Haus am Platze“, links ein Maibaum fast wie in Bayern. Schräg gegenüber Kurhaus und Touristeninformation.

Die Hauptstraße ist gesäumt von Gasthäusern und allem was man so braucht. Parkplätze gibt es auch, wenn auch manchmal zu wenige, für derzeit mindestens 2 Euro je vier Stunden. Das ist auch die Mindestparkzeit, also sozusagen der Eintritt. Bahnfahrer haben es da leichter. Mit Gästekarte, lokal Konus genannt, fährt man gratis ÖPNV! Auf der anderen Seite vom Bahngleis hört man es auch mittags schon pfeifen. Dort ist der Fussballplatz, der rege genutzt wird.

Das Beitragsbild ganz oben zeigt den größten unbebauten Platz am Ort. Außenrum reiht sich Hotel an Café oder Rathaus und Schule, in der Mitte all dessen ist eine riesengroße Wiese. Wie lange mag es dieses unbebaute Filetstück dort noch geben?

Apropos Filet 😉
Gut essen kann man dort auch, und die Auswahl ist reichlich und genügt jedem Geschmack und Geldbeutel. Ich habe im s´Pfännle zu Mittag gegessen, und es war preiswert und sehr gut!

Hauptattraktion am Ort und einer der großen Geldbringer ist natürlich die Skisprungschanze. Heute nennt sich die Anlage Adlerschanze und hat schon große Wettbewerbe gesehen. Sie wurde erst vor einigen Jahren auf Vordermann gebracht und erhielt als Ersatz für den in die Jahre gekommenen Sessellift einen Schrägaufzug. Zwar wirbt die Werbung damit, damit könne man den Touristen bei der wöchentlichen Führung das Ganze noch besser zeigen, kommt man jedoch da hin steht man vor einem Zaun mit einem Schild, das jeder kennt: Zugang nur für Sportler und Trainer!
Besucher kommen also an die Anlage nicht mehr heran, zumindest nicht so wie das früher noch möglich gewesen ist. Schade, denn von oben hatte man eine herrliche Rundumsicht!

Im jährlichen Sportkalender ist denn auch das Sommerskispringen mit allen Helden der Zunft die große Attraktion. Die andere ist der Bikemarathon, der an unterschiedlichen Orten der Region startet und auf verschiedenen Strecken das Ziel im Stadion von Kirchzarten ansteuert. Dieses Jahr war es die Deutsche Meisterschaft. Es ist zwar ein anderes Thema, aber Mountainbike ist in der Gegend ohnehin die große Nummer. 1995 hatte es mit der damals noch sehr familiären Weltmeisterschaft, die noch weit entfernt war von den Kommerzspektakeln unserer Tage, seine Initialzündung. Heute fahren dort viele Rad, schätzungsweise die Hälfte davon elektrisch.

Viele alte Häuser entsprechen dem gängigen Klischee. Dennoch ist Hinterzarten kein bewohntes Freilichtmuseum. Es ist vom optischen Eindruck her ein Gemisch aus Kurbad und Touristenfalle.

Zwei Kliniken gibt es, beide gut getarnt in eben solchen alten Bauernhöfen, sodass kein Fremder auf den ersten Blick darauf käme, dass es Krankenhäuser sind! Aber der Weg ist gut ausgeschildert, und wie man sieht wird auch keiner dort verhungern.

Viel Wert scheint man auf Tradition zu legen, findet man an manchem Hotel doch noch Hinweise auf „die gute alte Zeit“:

Dass die nicht immer gut war merkt man aber an mancher Lücke in der Infrastruktur. So redet der Prospekt immer wieder von einem Skizentrum mit alpinen Abfahrten und mehreren Loipen. Wer das sucht muss gut zu Fuss sein, denn zum einen fährt natürlich kein Bus da hin, zum anderen sucht man im Sommer vergebens danach. Ausser der (geschlossenen) Skihütte ist von alledem ausserhalb der weissen Saison wenig zu finden. Was nur auffällt ist der pünktlich vor dem Ortsendeschild aufhörende Bürgersteig. Die schmale und steile, aber durchaus rege befahrene Straße lädt nicht eben zu Wanderungen ein!

Man braucht schätzungsweise rund vier Stunden – nicht ganz zufällig die Mindestparkzeit – um sich alles anzusehen und einen gemütlichen Rundgang zu machen, wobei trotz der vermeintlich langen Zeit nie langweilig wird. Zu sehen gibt es genug!

Zum späten Nachmittag hin musste ich sogar aufpassen, den Bus zurück nach Freiburg zum Zug nicht zu verpassen. Die Ersatzverbindung war nämlich geringfügig überlaufen. Kein Wunder, meint man doch, den Inhalt von drei bis vier Doppelstockwagen in einem Gelenkbus unterbringen zu können und den ohnehin anfallenden Lokalverkehr noch dazu. Gruppenkuscheln …

Insgesamt war es aber ein sehr schöner, aus einer spontanen Idee geborener Tag, sieht man mal von Bekleidungsproblemen ab, die aus Temperaturwechseln von früh 9° zu nachmittags 20°C entstehen. Entweder du frierst, oder läufst aus! Da hilft auch kein Goretex, und wer sich dann noch anstrengt der brät im eigenen Saft.

Hinterzarten ist nicht das einzige sehenswerte Dorf im schwarzen Wald. Schon etwas her ist mein Artikel über das Freilichtmuseum Vogtsbauernhof bei Hausach. Am anderen Talende liegt mit Kirchzarten der Ort der MTB-WM 1995, deren Strecke heute noch weitgehend ausgeschildert ist. Dazwischen liegen Höllental und Himmelreich…
Etwas weiter nördlich finden sich in Triberg die der Sage nach höchsten Wasserfälle, wobei mir bei meinem ersten Besuch damals ein oben am Wasserfall versteckt gelegenes Häuschen im Gedächtnis geblieben ist, darin etwas das aussah wie eine Pumpe. Sollte da doch etwas menschliche Nachhilfe eingebaut worden sein für Zeiten mit weniger Niederschlag? Die Quelle muss ja auch dann sprudeln! Auch die Wasserfälle von Todtnau etwas südwestlicher sind nicht von schlechten Eltern, nur kommt man da ohne Auto schlecht hin. Wunderbarerweise scheint es aber eine durchgehend online buchbare Verbindung bis zum Feldberger Hof zu geben, der vor dem Seebuck und damit fast unmittelbar am Feldberg selbst liegt. Dabei sollte man zwei Dinge nicht verwechseln: Im Abstand von nur wenigen Kilometern gibt es dort viele Feldberge. Einmal den kahlen Stein selbst, und ein andermal das Dorf, das auch nicht unbedingt direkt am Berg sondern eher schon zwischen Titi- und Schluchsee liegt.

Schauen wir mal was das noch gibt, vielleicht bald einen weiteren schönen Tag? Mit BahnCard sind die Tickets erschwinglich, und die Bahn hat gerade gezeigt dass sie es kann wenn sie will.
Hier noch ein paar weitere Eindrücke aus Hinterzarten: