Darmstadt mit Aladins Wunderlampe zu vergleichen ist zugleich abwegig wie richtig. Die Stadt im südlichen Rhein-Main-Gebiet hat sowohl etwas von altbackenem Brot wie auch von einem verwunschenen Schatzkästchen, dessen Inhalt sich erst bei näherem Hinsehen offenbart.
Auf den ersten Blick erscheint Darmstadt als Betonwüste, die keinen Aufwand für einen ausführlichen Besuch wert ist!
Wer sich Zeit nimmt, die Stadt zu entdecken, merkt aber bald, dass hier etliche verborgene Kleinode auf die Besucher warten. Nichts ist offenkundig, vieles will entdeckt werden.
Kolumbus, wo bist du?
Bei näherem Hinsehen besteht die Stadt nicht nur aus Beton, auch wenn es dem ersten Eindruck nach so ist.
Es gibt hier – gut verborgen – eine ganze Anzahl Sachen – teils mit morbidem Charme – zu entdecken, darunter Parks und Gärten von erhabener Schönheit, die allemal einen Aufenthalt lohnen.
Auch der gleich hinter dem Hessischen Landesmuseum gelegene Herrngarten ist so ein Kleinod. Bedingt durch seine Lage kann man mit Bahn oder Auto unmittelbar daran vorbei fahren, ohne etwas von ihm zu bemerken! Wer rein geht kommt in eine Welt der Abgeschiedenheit und Ruhe, kann darin inmitten der Großstadt vom Alltag abschalten und auftanken.
Man kann ihn auch für kurze Wege zwischen Stadtteilen nutzen.
Umrahmt wird die schon 1811 von Großherzog Ludewig I. – das ist bzw. war der „Säulenheilige“ vom Luisenplatz –
für die Allgemeinheit freigegebene Anlage vom Landesmuseum, dem Staatsarchiv (ehem. Theater) und Teilen der Universität.
Dort alleine findet man neben pittoreskem auch „Andenken“ an die finstere Vergangenheit brauner Farbe. Schaut euch mal den Nebeneingang am Unigebäude an. Jeder kann sich denken, was ehedem mal unter dem noch erhaltenen Reichsadler zu sehen war.
Was diese Zeit mit der ehemals malerischen Stadt angestellt hat weiss jeder, der den Begriff der Brandnacht einordnen kann. In der unseligen Nacht vom 11. auf den 12. September 1944 wurden weite Teile der Stadt bis in die Vororte hinein dem Erdboden gleichgemacht, tausende kamen in den Flammen um!
Die Relikte des Krieges erkennt man bei näherem Hinsehen auch heute noch, Jahrzehnte danach, an der Bebauung der Innenstadt. Wie Zahnlücken stehen sie da, die Häuser, bei denen bis heute die oberen Etagen fehlen.
Auch enthält der Herrngarten an seinem nördlichen Ende einen „Spielplatz“. Gewöhnlich sind Spielplätze was für kleine Kinder. Der hier ist auch für „Große“.
In diesem Zusammenhang zu erwähnen sei der „Aussichtsberg“, der nach offiziellen Angaben aus dem Aushub der Mollerstadt bestehen soll, heutige Betrachter aber eher an die in vielen Städten bestehenden Trümmerberge erinnert, die uns der letzte Krieg als Hypothek hinterlassen hat!
In der westlichen Ecke des Parks findet man einen Teich, der bei den Enten offenbar sehr beliebt ist. Jetzt am vergangenen Sonntag erlebte man hier die Diskrepanz zwischen 14°C warmer Luft, Sonnenschein, und einem immer noch gefrorenen Weiher. Betreten ist aber nicht mehr ratsam! Wer jetzt gerne baden möchte wandert weiter und besucht das Nordbad im Bürgerpark.
Der Herrngarten ist nicht extrem groß, aber doch groß genug um darin die Umwelt vergessen zu können. Der Englische Garten in München ist ebenso ein Landschaftsgarten, wenn auch erheblich größer, und in Darmstadt fehlt die bekannte Eisbachwelle. In Darmstadt aber geht ein Garten in den nächsten über.
Im Osten der Anlage schließt der Prinz-Georg-Garten mit seinen Gewächshäusern und Blumenbeeten an.
Ebenso erwähnenswert ist das am Ostende befindliche und bunt bemalte Pretlacksche Gartenhaus. Es enthält eine öffentliche Bibliothek.
Die besten Bilder dieses Tages habe ich aber am Blumenbeet gemacht. Dort blühten herrliche Krokusse. Die Frühlingsboten haben die Eiseskälte der vergangenen Zeit im Gegensatz zu den Stiefmütterchen fast unbeschadet überstanden.
Erreichbar ist das Kleinod entweder mit dem Auto (parken in der Schloßgarage) oder vorzugsweise mit der Bahn. Man kann auch am Bürgerpark parken und in die Stadt laufen. Zu Fuß sind das gute 15 Minuten. Günstig gelegene Haltestellen sind entweder im Süden das Schloß, verbunden mit einem kurzen Fußweg am Darmstadtium vorbei, oder im Westen der Halt Pallaswiesenstraße. Beide Haltestellen werden von mehreren Linien bedient.
Der öffentliche Nahverkehr im Zentrum der Stadt funktioniert in der Regel tadellos. Die meisten Linien fahren auch am Wochenende alle 15 Minuten oder öfter. Was im Zentrum gilt wird aber ausserhalb gern mal zur Falle.
Wie hier in Griesheim am Platz Bar-le-Duc, dem Endhalt der Linie 9. Sonntags fahren die Bahnen alle 15 Minuten, die Busse ins Umland aber nur einer je Stunde, manche Linien garnicht! Warten Sie 50!
Mehr Bilder – hier.