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Berliner Traumtänzerei

Die Bild berichtet: der neue Bundesdigitalminister will alles digital haben, das Portemonnaie habe ausgedient.

Okay, er macht halt wie er geheissen. Ich würde ihm allerdings raten, vorne anzufangen statt in der Mitte und zunächst mal die für solche Vorschläge erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen und Netze bereitzustellen. Davon sind wir nämlich trotz aller gegenteiligen Beteuerungen immer noch meilenweit entfernt. Die sind bei weitem nicht in der nötigen Qualität und Quantität vorhanden.

Etwas weiter unten schreibt dieselbe Zeitung von einem Aufruf an die Bevölkerung, über eine eigens dafür eingerichtete Website Lücken in den Mobilfunknetzen zu melden. Man weiss demnach nicht wo die „weißen Löcher“ auf der Landkarte sind? Wer will uns hier veralbern?

Seit Jahren wird uns weisgemacht, wir hätten hier die besten Netze Europas, wenn nicht der Welt. Die Realität schaut halt anders aus, und die Regierung weiss das, auch wenn es nicht diese ist die das zu vertreten hat.

Wenn man Privatfirmen machen lässt ist absehbar, dass diese nicht mehr Aufwand treiben als für ihre Geschäfte unabdingbar ist. Sie konzentrieren sich halt auf die Ballungsräume, und da vor allem auf die Städte. Jedes Schulkind weiss das. Wer mal unterwegs war und beim Wandern in den deutschen Mittelgebirgen versucht hat einen dieser digitalen Wegweiser auf seinem Smartphone zu nutzen weiss, wie löchrig diese Netze sind. Das sind keine weißen Flecken auf der Landkarte, mit denen man ja leben könnte. Das ist ein digitales Sieb, das eben von einigen Hauptverkehrswegen zusammengehalten wird und ansonsten aus heißer Luft und nicht gehaltenen Versprechungen besteht. Man hat ja nachweislich nicht mal in dicht besiedeltem Gebiet überall vollwertigen Empfang.

Die Bahn wirbt mit öffentlichem kostenlosem WLAN in ihren Zügen, realisiert über das bahneigene GSM-R. Also über Mobilfunk. Real heisst das dass es da einen Hotspot gibt, bei dem man sich einwählen kann. Man teilt sich die Verbindung mit allen anderen Nutzern im Zug, was nichts weiter heisst als dass es vom puren Zufall abhängt, ob man auch Daten bekommt. Das kann funktionieren, es muss aber nicht. Es kann auch sein dass man nur ein sich drehendes Pausenzeichen auf dem Bildschirm gezeigt bekommt.

Damit digitale Anwendungen aber Sinn machen muss die Datenversorgung jederzeit und überall in der Republik gewährleistet sein, ohne Wenn und Aber, und es muss aufhören mit Mobilfunkverträgen, die limitiert sind und die Nutzer bei Erreichen der Datenmenge im Regen stehen lassen. Je mehr man über solche Wege erledigen soll desto mehr Daten werden übertragen. Das kann klar sein.

Das sind die Dinge, bei denen die Regierung ansetzen muss, und das nicht nur mit einer Umfrage, sondern mit Regie. Von alleine wird wieder nur passieren, was schon mehrfach passiert ist. Die Firmen geloben Besserung, und denken sich intern „Rutsch mir doch den Buckel runter!“. Hier und da wird ein neuer Funkmast aufgestellt, an den Fakten ändert sich wenig. Wie gesehen muss ein Funkmast in der Nähe nicht zwangsweise auch guten Empfang bedeuten. Es reicht ja aus wenn die Leute telefonieren können, wozu es erheblich weniger Leistung bedarf als wenn man alles und jedes datentechnisch digitalisieren will. Damit steigt eben der Bedarf an Übertragungsleistung, sprich Datenvolumen und Bandbreite. Du kannst mit einem der vier Striche bei 3G zwar vielleicht noch telefonieren, eine Webseite aufrufen bringt da aber nichts.

Da wo das gegeben ist kann man ja gerne Versuche starten, nur liegt das Problem eben im Prinzip. Solche Versuche gibt es ja schon länger, und fast alle endeten mit Pleiten, Pech und Pannen, oder schliefen sang- und klanglos ein. Das beste Beispiel dafür ist De-Mail. Gestartet hat man es als sichere Nachrichtenübertragung für die Nutzung mit Behörden und Ämtern. Gelandet ist es in der Versenkung. Es spielt real keinerlei Rolle im täglichen Gebrauch der Bevölkerung. Warum? Es ist so bürokratisch angelegt und inkompatibel zu üblichen Mailprogrammen, dass die Nutzung viel zu aufwändig ist. Schon die damalige Registrierung mittels Postident war vorsintflutlich. Die normale, verbreitete eMail wird von den Ämtern aber nicht als Kommunikationskanal zur Bevölkerung akzeptiert!

Das wäre aber eine Voraussetzung. Wer hat denn heute noch ein Faxgerät? Die Briefpost wird in manchen europäischen Ländern wie Dänemark bereits eingestampft. Es macht keinen Sinn mit Behörden verkehren zu wollen, die nicht erreichbar sein wollen! Dabei müssen sich diese nach den Möglichkeiten der Bürger richten statt zu erwarten, dass sich das Volk das anschafft, was die Behörden wünschen. Dass das nicht möglich ist haben diese ja selbst herbeigeführt. Dass sich die Leute angesichts der Tatsachen da an den Kopf fassen ist mehr als verständlich.

Beim Finanzamt kann man über Elster – dem diebischen Vogel – Anträge für mancherlei Steuererklärungen stellen. Aber wenn es Rückfragen gibt erhält man vom Finanzamt einen ganz normalen Brief in Papier, auf den ebensolche Antwort erwartet wird. Unterlagen soll der Bürger aber tunlichst digital einreichen, auch wenn alle wissen dass diese selten über Scanner verfügen und Dateianhänge nur vergleichsweise winzige Größen haben dürfen. Ein Foto mit 2 MB Umfang hat in etwa das Format einer Briefmarke. Über solche Wege hochauflösende Bilder von z.B. Plänen zu übermitteln kann man vergessen! Es müssten also erst mal Standards geschaffen werden, die alle Softwarehersteller zu implementieren haben, denn es kann nicht sein dass sich die Anwender – die Bürgerinnen und Bürger – darum zu kümmern haben.

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