Analoge Fotografie
Foto: Symbolbild – Viele Wege führen nach Rom, oder hier: es gibt viele Möglichkeiten, zu einem Bild zu kommen. In der Regel bestehen Bilder heute aus einer Matrize von farbigen Punkten, wobei datentechnisch auch Grau eine Farbe ist. Sie lässt sich als Zahlenwert darstellen. Das war früher anders, wobei auch das „anders“ relativ ist. Eigentlich gab es auch damals, in Zeiten des chemischen Films, schon Pixel, auch wenn das anders aussah. Das waren halt mehr oder weniger große Plättchen Silbersalz, was ebenso zur Folge hatte dass empfindlichere Emulsionen eben gröber waren weil die Kristalle eine größere Oberfläche brauchten, um Licht einzusammeln. Bei genügender Vergrößerung sah man das, so wie man heute Pixel sieht wenn man den Bildschirm groß genug einstellt. Die Ursache ist nur anders. Was dem Betrachter als lichtempfindliche Folie erscheint, die Emulsion nämlich, ist eine auf einen Kunststoffträger aufgebrachte Masse, die im wesentlichen aus Silbersalzen besteht. Bei Farbfilm gibt es daneben noch Chemikalien, die als Farbkuppler wirken und bei der Entwicklung dann später Farben erzeugen.
Das sind Themen aus dem Deutschen Museum? Beileibe nicht! Gerade derzeit erlebt die analoge Fotografie eine Wiederauferstehung, erzieht sie doch aus Gründen des Materialverbrauchs und der damit verbundenen Kosten zu sorgfältigem Vorgehen.
Was war denn „damals“ Stand der Dinge? Heute streitet man sich vielfach über Megapixel, Sensoren, EDV. Damals war das nicht viel anders, nur war es seinerzeit eher eine Formatfrage. Minox, APS, Kleinbild, Mittelformat, Plattenkamera?
Das Format des Films bestimmte die Auflösung, wobei mehr Fläche gleichbedeutend war mit mehr Details. Man musste eben ein Mittelformatnegativ 6x6cm nicht so viel vergrößern wie ein Kleinbild 24x36mm, um auf das gleiche vergrößerte Bild im Abzug zu kommen. Aus anderen Gründen gibt es Opa’s alte Plattenkamera bei den Profis bis heute! Die nutzte schon immer Planfilme in verschiedenen Formaten, weil es so große Sensoren nie gab. Ein Blatt Film, ein Bild. Eine Kassette, ein Schuss, und der Wechselsack zum Nachladen war immer mit dabei. Heute weiss keiner mehr was ein Wechselsack ist. Man braucht ihn normalerweise nicht mehr. Diese Kameras funktionieren nach dem Prinzip der optischen Bank, sind langsam, und erziehen zu sorgfältigem Umgang. Fehler sind teuer. Automatik jeglicher Art Fehlanzeige. Kaum ein Amateur hat sich je mit dem Prinzip befasst, denn sie sind im normalen Fachhandel kaum erhältlich. Dafür hast du die totale Kontrolle. Wenn du weisst was du tust!
Man konnte und kann bis heute seinen belichteten Film beim Fotohändler abgeben, der ihn in einer Tüte ans Großlabor schickt, wo er entwickelt wird. Oft genug mit je einem Abzug 10×15 cm. Postkartengröße. Selten mehr. Man kann jedoch, damals eher als heute, seine Filme auch selbst entwickeln, und das beileibe nicht nur mit Schwarzweiss. Die Großlabore hatten und haben keinen guten Ruf, hat sich doch erwiesen dass manche darunter ihre Arbeit nicht so genau nahmen. Das Stichwort „Telegrafendrähte“ sagt euch was? Eine nicht sorgfältig gewartete und damit unsaubere Maschine verursachte in der nassen und somit mechanisch empfindlichen Emulsion Schäden, die irreparabel waren. Ein Staubkorn genügte!
Die für ein Heimlabor nötigen Geräte werden online gerade auch von namhaften Anbietern wieder wie warme Brötchen feilgeboten. Woran es heute eher scheitert ist die benötigte Chemie. Waren einstmals Arbeitssätze für C-41 (Negativprozess) oder E-6 (Farbdiaentwicklung) in jedem Fotoladen amateurgerecht als Konzentrate erhältlich, so bekommt man deren Nachfolger heute nur noch für Profibedarf auf Bestellung. Die Flaschen eines ATL, einer Entwicklungsmaschine, die es bis heute gibt, fassen je 0,6 Liter. Da hilft es dir wenig wenn du nach Vorbereitung der Arbeitslösungen Putzeimer voll Chemie hast, die dir durch Oxidation in wenigen Stunden verfällt und unbrauchbar wird. Soweit mir bekannt ist die kleinste derzeit erhältliche Packung für 5 Liter Arbeitslösung. 5 Liter für 0,6 Liter Flaschen? Um diese Mengen zeitgerecht zu verbrauchen müsstest du ungefähr 50 Filme am Stück entwickeln. Großlabore verbrauchen solche Mengen, Amateure regelmäßig nicht. Profifotografen haben schon immer selbst entwickelt, weil sie es sich nicht leisten konnten, drei Wochen auf die Ergebnisse zu warten. Viele davon betrieben deswegen nebenher ein Fotolabor und nahmen auch Material der umliegenden Normalverbraucher zur Verarbeitung an. Es war ein schöner Nebenverdienst, waren die Geräte dafür doch eh da. Diese Labore waren einst zuverlässiger und besser, wenn auch teurer, als die Großlabore, hatte sie doch in ihrer Stadt einen Ruf zu verlieren. Da war nichts anonym.
Für die Radfahrer unter euch interessant ist vielleicht die Art, wie man früher Zielfilme entwickelt hat. Es gab Fixierentwickler extra für diese Zwecke, und der Zielfilmfotograf hatte hinter dem Zielwagen seine Dunkelkammer. Diese Chemie war so konzipiert dass Entwicklung und Fixierung in einem Aufwasch gemacht wurden, was geht wenn man die Prozesse geeignet abstimmt. Naß zu naß in unter 15 Minuten, und auch heute ginge der E-6 mit Dias für die Zeitung von trocken zu trocken mit ein paar Tricks in unter einer Stunde. Erwartet von so entwickelten Bildern aber bitte keine Archivfestigkeit! Um das Material so auszuwässern dass es haltbar ist brauchst du übel viel Wasser! Und erheblich mehr Zeit.
Wie gehabt, die Konzentrate, die man da hat kaufen können, wurden in der Regel 1:9 verdünnt. Man hatte also da mehrere Flaschen Chemie, genauer drei bzw. sechs Bäder je nach Verfahren, mit denen man so ungefähr 6-10 Filme hat entwickeln können. Danach waren die Lösungen verbraucht und mussten entsorgt werden.
Was ist nun das Problem dabei? Geliefert wurde das zumeist als Konzentrat in Glasfläschchen oder Folienbeuteln, und da passt nun mal keine verdünnte Lösung mit 10 mal so großem Volumen mehr rein. Das haben die Politiker nie begriffen, als sie Entsorgungsvorschriften gemacht haben. Wie hat man sich damals geholfen? Man nahm Einweggetränkeflaschen und brachte die Brühe so zum Altchemieauto, das heute auch noch einmal im Monat ins Dorf kam. Nach Meinung der Verwaltung sollte man das Zeug dem nächsten Großlabor andienen, die aber waren selbst froh wenn sie ihre Sachen los wurden. Das war alles schlecht durchdacht! Ich bin davon überzeugt dass so mancher Liter stark giftiger Chemikalien auf diese Art und Weise im Klo landete!
Was war denn da so drin? Alleine das letzte der Bäder, der Stabilisator, enthielt Formaldehyd. Was das macht kann man googeln. Verbrauchte Fixierbäder waren bei Degussa gern gesehen, enthielten sie doch so viel gelöstes Silber dass sich die Wiederaufbereitung lohnte und man oft genug für die Brühe noch etwas Geld erhielt. Heute meinen manche der Nachlass derartiger Prozesse löse sich einfach in Luft auf. Das aber tut er nicht.
Filme gab es damals amateurgerecht entweder als Kleinbildfilm in einer Metallpatrone Type 136 und in Längen für 12, 24 oder 36 Bilder. Ganz speziell gab es Kleinbildfilm auch als Meterware für spezielle Magazine, die nur an bestimmte Kameras passten und bei den Sportfotografen gefragt waren. Heute macht man sich über Materialverbrauch kaum noch Gedanken. Das war damals anders, denn der Vorrat war endlich und ließ sich nicht rasch nachladen. Rollfilm für Mittelformat gab es als Typ 120 mit Schutzpapier, oder 220 ohne. Der 220er war etwas länger, passte dafür aber nicht in jedes Magazin. Je nach Format der Kamera, das von 4,5x6cm bis zu 9×6 cm reichen konnte, passten eben unterschiedlich viele Bilder da drauf. Blattware für Plattenkameras war schon immer Sache der Profis. Auf exotische Sonderformate, die es ebenso gab, auch wenn sie selten waren, gehe ich hier jetzt mal nicht näher ein.
Ein weiterer Punkt bei der Selbstverarbeitung war die Erziehung zu Sauberkeit und Genauigkeit, die bisweilen in Pedanterie ausarten konnte. Die Temperaturtoleranz im E-6-Prozess betrug 0,2°C. Zwei Zehntel Grad Celsius, sonst wichen die Farben vom Soll ab, und da ein Dia das Endprodukt war sah man das. Wer euch also auftischen will er habe seine Dias im Waschbecken entwickelt erzählt Räuberlatein. Auch genügte ein Tröpfchen Fixierbad im Entwickler um alles unbrauchbar zu machen! Du bekamst da auf ganz direktem Wege Sauberkeit und Ordnung anerzogen, alleine weil jede Patrone Film so rund 20 DM wert war, die Entwicklung kostete in etwa dasselbe nochmal. Billig war da gar nichts!
Heute ist man es gewohnt, auf dem Bildschirm der Kamera Rückschau halten und sich seine Ergebnisse umgehend ansehen zu können. Das war damals grundlegend anders. Was du da verbrochen hast sahst du erst wenn der Film mit den Bildern aus dem Labor zurückkam. Oft folgte dann Freude, mitunter aber auch die Erkenntnis wenn etwa der Verschluss der Kamera kaputt war.
Nebenbei, das Bindeglied zwischen der analogen und der digitalen Welt waren Scanner. Die gab es in vielfältiger Ausführung, teils sogar halbautomatisch, womit sich Dias und Negative einlesen und mittels Software digital speichern ließen. Warum gibt es die heute nicht mehr? Irgendwann war alles, was zu digitalisieren war, abgearbeitet, das Verbliebene für die Anwender nicht interessant, und die Verkäufe ließen einen Fortbestand des Angebots nicht sinnvoll erscheinen. Also wurden die Geräte vom Markt genommen, zumal es heute auch kaum noch Computer mit den passenden Schnittstellen gibt. SCSI? Kennt heute kaum noch wer, und sogar Apples Firewire wird eingestellt. Hinzu kommt das Konzept. Es gibt Besseres, das aber ist inkompatibel. Die Software ist so gemacht dass sie mit neueren Betriebssystemen nicht mehr läuft. Updates gibt es nicht, die Hersteller sind pleite oder aufgekauft. Die Konzeption der sogenannten Sollbruchstelle führte dazu, dass gerade Netzteile durch Liegenlassen unbrauchbar wurden. Nicht nur bei Scannern. Hier sind mehrere Geräte auf diese Art kaputtgegangen, dass die Elkos in den Netzteilen nach ein paar Jahren den Geist aufgaben. Reparatur nicht vorgesehen. Man nennt es auch geplante Obsoleszenz, und in meinen Augen ist es planmäßiger Betrug! Nicht dass etwas kaputt geht, sondern dass es so gebaut wurde dass es nicht reparierbar ist! Ersatz gibt es nicht, und damit wird ein ganzes Diaarchiv im Handumdrehen wertlos.
Mit Kameras ist das übrigens kaum anders. Geht da was kaputt wird dir oft geraten, einfach eine neue zu kaufen, ohne zu bedenken dass da ganze Systeme an Objektiven und Zubehör dran hängen können, die dann zumindest teilweise nicht mehr funktionieren, weil eben auch neuere Kameras fotografierende Computer sind, deren Betriebssysteme (Firmware) Ansprüche an ihre Umgebung (Objektive) stellen, die ältere Teile nicht immer erfüllen, oder zwischendurch am Bajonett gedreht wurde, sodass da ohne Adapter nichts mehr passt und mit Adapter oft genug Funktionen verloren gehen, die davor gut funktioniert haben. Stelle z.B. mal ein Objektiv mit der Hand scharf, das wegen Autofokus dafür nie vorgesehen war. Die heutigen Mattscheiben haben weder einen Schnittbildindikator noch einen Mikroprismenring, der früher bei jeder SLR normal war, als es einen Autofokus in der heutigen Form noch nicht gab. Und es ging so eben durchaus auch ohne.



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