wanderbares Baiersbronn

Herbstzeit, Wanderzeit. Land der vielen Täler, Stadt der vielen Stadtteile. Baiersbronn ist eins der vielen Touristenorte, die sich das Murgtal hinaufziehen wie die Perlen auf der Schnur. Am Ende des Tals wartet nur fünf Kilometer weiter Freudenstadt mit dem größten Marktplatz der Welt, zumindest aber der Umgebung. Wer nicht aufpasst wird dort nass, das ist aber eine andere Geschichte, die ich vielleicht später mal erzählen werde. Bindeglied dazwischen ist entweder die Landstraße, oder die Murgtalbahn.

Die wiederum ist eine über Land fahrende Straßenbahn, ähnlich langsam, hält gerne an jeder Milchkanne, wird aber als Teil des Karlsruher Systems als S-Bahn geführt. Was daran S- also Schnellbahn ist, darf gefragt werden. Offiziell nennt sie sich darum auch eher Stadtbahn, wobei man da nun aber fragen muss wo die Stadt ist. Sowohl Karlsruhe als Ausgangspunkt als auch Freudenstadt sind am Reissbrett entstanden und Ausdruck der Bauwut vergangener Potentaten. Ausdruck der Bauwut heutiger Tage ist manche Bettenburg, die verträumte Dörfer zu geldbringenden Touristenfallen umgestalten. Sie stechen unangenehm ins Auge, sind aber offenbar ebenso unvermeidbar.

Es ist die übliche gehässige Frage, und ist man dann endlich mal angekommen schaut man sich um und sucht das Zentrum. Positiv dabei – man kann am Bahnhof parken, falls man dort einen der wenigen überhaupt da vorhandenen Parkplätze ergattert. Derzeit mit der Bahn anzureisen erfordert Mut, kann doch alleine durch einen Blick durchs Fenster jedermann erkennen wie die Wahrheit aussieht angesichts der Reden der Politiker und Wissenschaftler. Die Züge sind gut nachgefragt. Wobei etwa die Hälfte der Fahrgäste die Maske auf Halbmast hängen hat oder gar keine trägt, und es schaut nicht danach aus als ob es wen stört. Von Abstand will da gar keiner reden!

Wer da neu ist und sich nicht auskennt wird erfreut feststellen, dass es gleich im alten Bahnhofsgebäude eine Touristeninformation gibt. Leider hatte die gestern auch zu den Öffnungszeiten geschlossen! Ditto für die Hauptstelle am Rosenplatz, wo zwar eine große Glastür zum Besuch einlädt, aber drinnen Dunkelheit herrschte. Man sollte sich also nicht zu sehr auf Aushänge verlassen, die sind anscheinend mehr Eigenwerbung als belastbare Tatsache. Angenehm erschien da das offene Regal am Bahnhof, in dem Prospekte allerlei Art zur Mitnahme einluden, darunter auch der faltbare Fahrplan der Bahn. Der verriet nun was einem die elektronische Auskunft nur ungern offenbart, nämlich dass es eine gute Idee war gestern doch auf das Auto zurück zu greifen, auch wenn es erst mal angenehm ausschaut, sich die Landschaft beim Fahren durchs Fenster der Bahn anzusehen.

Von mir nach dort sind es rund 180 Kilometer einfach. Auf dem Papier ist das mit der Bahn gut machbar – wäre da nicht die praktische Lebenserfahrung mit diesem Verkehrsmittel aus der Zeit vor Corona, und daran dürfte sich nicht allzu viel zum Guten geändert haben. Laut Auskunft hätte ich in Karlsruhe sechs Minuten Zeit gehabt, vom ICE auf die S-Bahn umzusteigen. Was sich zunächst als hervorragender Anschluss darstellt ist in der Realität oft genug die Garantie zum Verpassen desselben, weil man einmal quer durch den Bahnhof muss und auch der Fernzug gerne mal seine Toleranz ausreizt. Wenn man weiss dass bei der Bahn auch Züge mit einer Verspätung von 5:59 Minuten noch als pünktlich gelten, man aber nur 6 Minuten zum Umstieg hat kann erkennen wo das Problem liegt. S-Bahnen warten nicht, und auf verspätete S-Bahnen wird auch nicht gewartet, ausgehend von der Tatsache dass die in Berlin alle zehn Minuten fahren. Wir sind aber nicht in Berlin, und so darf man dann eben auf Godot warten. Da ist es mit blindem Vertrauen so eine Sache, denn das führt hier zu nichts.

Dann nimm halt den nächsten! Okay. Nun ist das mit „dem Nächsten“ da auch so eine Sache. Da fährt eben diese Bahn als Eilzug mit Halt an nur wenigen Unterwegsbahnhöfen, und zur exakt gleichen Minute auf dem Bahnhofsvorplatz der Bummelzug gleicher Linie mit Halt an jeder Milchkanne. Die wären also im Fall des Falles beide weg gewesen, und bis zum nächsten dauert es zwei Stunden. Zwar würde dazwischen noch ein langsamer Zug fahren, der würde aber rechnerisch bis zum Ziel vom nachfolgenden Eilzug fast eingeholt, was also keine erheblich bessere Fahrzeit bedeutet. Rechnet man nüchtern ist man mit dem Auto in der Zeit hin- und zurück gefahren! Die Bahn ist also „nur was für Leute, für die der Weg das Ziel ist“ und die gleich nach Ankunft die Heimfahrt antreten, um noch am selben Tag wieder daheim anzukommen. Dafür muss man nicht viel Geld ausgeben!

Nun sagte ich „wanderbares Baiersbronn“. Die Landschaft ist pittoresk, und eine Kamera gehört nicht ins Gepäck, sondern an den Hals. Wer die Region erwandern will sollte im Zentrum anfangen. Welches Zentrum? Gut, man findet da gleich um die Ecke vom Bahnhof etwas, das man derzeit eher als Kriegsgebiet bezeichnen könnte. Baugruben, gesperrte Straßen. Offenbar hat man in der Stadt die Coronazeit genutzt um sich hübsch zu machen, wurde aber nicht rechtzeitig fertig. Wer sich einen Weg sucht wird ihn finden, Aufenthaltsqualität ist anders. In diesen Straßen sind die Fusswege Baugrube. So ist man gehalten auf der eigentlich gesperrten Fahrbahn zu gehen, und wird merken dass da zwar das runde Schild mit rotem Rand steht – Verbot für Fahrzeuge aller Art – das aber nicht gegen Anliegerverkehr wie auf der Stadtautobahn hilft.

Auf und nieder, immer wieder! Gemeint ist damit weniger die Festzeltgarnitur zum feuchtfröhlichen Umtrunk, sondern die Tatsache dass der Herrgott die Täler und Berge eben nicht gebügelt hat. Da ist vom Talgrund abgesehen wenig eben, und die Sehenswürdigkeiten liegen teils weit auseinander. Da kommen im Lauf des Tages etliche Kilometer zusammen.

Eine dieser Sehenswürdigkeiten hatte ich schon im Artikel über das Radcrossrennen angesprochen – das Tal der Hämmer. Friedrichstal ist eigentlich eine Werkssiedlung des dort angesiedelten Schmiedewerks, was man schon daran erkennt dass es dort zwar vermeintlich viele Parkplätze gibt, die aber fast alle ein Schild ziert: „Nur für Werksangehörige“. Dort steht aber auch der Königshammer, und stellt das Werkzeug von Gevatter Tod her – Sensen! Man sollte dort gewesen sein, wenn man sagen will man habe die Gegend gesehen. Hin kommt man am besten per Pedes, auch wenn es ziemlich weit ist. Die Zufahrt ist kompliziert und eng, und die Bahn kommt nur alle Stunde.

Die zur Kirche führende Sackgasse scheint mir ein Refugium der Spaßvögel zu sein. Vor der Garage eines Hauses steht ein offenbar falscher Parkscheinautomat, und ein Aushang an einer Bushaltestelle verweist auf den nächsten Bus im Jahr 2059, allerdings in Verbindung mit dem aktuellen Fahrplan. Bis dahin bitte die Busgesellschaft um Geduld. Entweder ist das Unternehmen ziemlich dreist, oder es handelt sich um eine Installation der dort häufiger vorkommenden Spezies der Naturparkgegner, was für einen Laien aber nicht zu unterscheiden ist wenn man nicht darauf kommt dass ein Bus in der Gasse eigentlich nicht wenden kann. Da sollte man dann aber doch einen Hinweis anbringen um Missverständnisse zu vermeiden! Ein Ortsfremder kann optisch nicht erkennen ob die Haltestelle echt ist oder nicht.

Es ist völlig illusorisch zu glauben man würde da an einem Tag fertig! Du kannst da zwei Wochen zubringen und findest immer noch neue Stellen, die du bis dahin noch nicht gesehen hast. Man sollte nur daran denken, was ich an anderen Schwarzwaldorten auch schon bemängeln musste. Gasthäuser gibt es einige, wer jedoch kein Freund asiatischer Küche ist hat es schwer. Das „gutbürgerliche“ Gasthaus sucht man vergebens. Entweder Gourmetküche oder Schnellimbiss. Die Cafes am Rosenplatz waren gestern jedenfalls trotz schönen Wetters nur mäßig besucht.

Zum Abschluss noch etwas Werbung. Da findet sich auf Google Maps ein Hinweis auf einen omynösen Schriftzug. Und tatsächlich, was Hollywood kann kann man in Baiersbronn schon lange. Da findet sich oberhalb des Tals in Hanglage der Namenszug des Ortes, nachts beleuchtet. Damit jeder weiss wo er ist! Dumm nur dass man das suchen muss, kann man zwar von oben den Bahnhof sehen, wird aber vom Bahnsteig aus nicht den Augenschmaus am Hang entdecken. Dafür steht der etwas zu versteckt. Ist halt nur was für Eingeweihte.