Ein bisschen Theorie

Zu allererst möchte ich mich für die Anerkennung bedanken, die meine Bilder vom Bergzeitfahren bekommen haben. Das ist nicht alltäglich und zeigt, was möglich ist wenn man Leute mal machen lässt.

In diesem Beitrag möchte ich darlegen, was an Technik dafür im Einsatz war. Mit dem Handy geht sowas nämlich nicht.

Gleich zu Anfang: Egal was euch die Werbung der Fotoindustrie erzählt, es geht nach wie vor nichts über die klassische Spiegelreflexkamera! Das ist hier das Werkzeug der Wahl. Immer noch und auch noch auf lange Zeit. Da heisst es ja gerne, die DSLR sei tot. Der Grund für solche Aussagen ist durchsichtig. Man hat aus allerlei Gründen das Bajonett gewechselt und will die Fotografen jetzt veranlassen, sich das neue System zu kaufen.

Vergiss es, das alte ist besser, und ich werde auch versuchen zu erklären warum das so ist!

Wir reden hier über Sport. Eine Tätigkeit, die gewöhnlich schnell ist. Wobei Tempo in der Fotografie gern mal relativ ist. Der entscheidende Faktor ist nicht das absolute Tempo an sich, sondern deren Abwandlung namens Winkelgeschwindigkeit. Ein Sportler, der genau auf dich zukommt, mag so schnell sein wie er will. Optisch bleibt er fast stehen. Dasselbe Tempo querab ist hingegen eine Herausforderung für jede Kamera.

Ganz gleich ob Vollformat, APS-C oder MFT, ein Kameraverschluss ist technisch ein Zeilenscanner. Da läuft also ein mehr oder weniger breiter Spalt über das Bild und belichtet den Sensor, oder im Fall eines elektronischen Verschlusses wird eben der Sensor so ausgelesen. Zeile für Zeile. Man kann grundsätzlich alle Kameras für Sportfotografie nutzen. Der Verschluss sollte halt möglichst schnell sein, wobei nicht die angegebene Verschlusszeit an sich zählt, sondern das, was sich anhand der Syncronzeit manifestiert. Ein Verschluss, der Blitzgeräte mit 1/250 Sek. syncronisiert läuft nun mal schneller als einer, der nur 1/60 Sek. schafft. Indirekt bestimmt das die Schärfe der Bilder.

Für diese (und andere) Bilder genommen habe ich Canons 1D, und zwar beide. Ich habe eine 1Dx und das Vorgängermodell, die 1D Mark III. Abgesehen von einer anderen Firmwaregeneration unterscheiden sich beide nicht erheblich. Das ist also das Mittel der Wahl, ergänzt von einer R6. Drei Kameras? Wozu? Ganz einfach: Wenn das Rennen läuft hat man keine Zeit. Die Sportler nicht, die Jury nicht, und die Fotografen auch nicht! Auch nicht am Berg, und wenn es regnet ist es auch nicht sonderlich empfehlenswert, Objektive zu wechseln. Du bereitest vor dem Rennen alles vor und arbeitest dann damit. Punkt. Durch diese hohle Gasse müssen sie kommen! Zeit für Experimente ist immer, ausser im Rennen.

Man ist da wortwörtlich behangen wie ein Weihnachtsbaum, nur statt Lametta eben Technik. Links die eine, rechts die andere, am Hals ggf. die Dritte. Gehalten wird das Ganze von etwas, das beim Bund „Koppeltragehilfe“ genannt wird, hier eben der DPH von SunSniper. Der „Double Press Harness“ hält wie gesagt zwei Kameras, und wenn es sein muss passt auch Nummer drei dazwischen. Das wiegt was, aber dafür wurde es gemacht. Was ein Fotograf unter diesen Umständen nicht kann ist – Rennen! Zwei einzelne Gurte diagonal anzuziehen ist wenig empfehlenswert. Das Gewicht drückt dir die Halsschlagadern ab. Es gibt solche Aufhängevorrichtungen auch als Weste, vorausgesetzt der Fachhandel kann mal liefern.

An Objektiven montiert war da nun das für solche Fälle Übliche in einer gewissen Abwandlung. Vorgesehen hatte ich einmal das 100-400mm für weiter entfernte Motive, dazu das 70-200mm bzw. zeitweise das 28-300mm. Damit kommt man bei hinreichend Licht gut durch den Tag. Auf der einen Kamera steckte zudem ein A1X von Profoto und sorgte für Aufhellung im Nahbereich. Für die Siegerehrungen braucht es da noch was Kurzes, nämlich das 24-70mm.

In der Fotografensprache nennt man das Trio aus 16-35mm, 24-70mm und 70-200mm auch die „Heilige Dreifaltigkeit“. Es sind die Brot-und-Butter-Brennweiten, die jeder Fotograf irgendwie braucht. Dazu noch was Langes kann nicht schaden. Diese Sachen kauft sich kaum jemand am Stück. Weder Amateur noch Profi. Das passiert oft über 10 Jahre und länger verteilt. Dennoch nutzen beide zum Schluss weitgehend dieselbe Ausrüstung, weil Physik nicht nach Geld fragt. Will man solide Ergebnisse braucht man auch eine bewährte Ausrüstung.

So verschieden wie die Gelegenheiten sind oft auch die Bedingungen vor Ort. So zeigte sich bereits am Folgetag beim Rennen in Mainz, dass man gute Ergebnisse bedarfsweise auch mit einer APS-C-DSLR wie der Nikon D500, bestückt mit dem Kit-Zoom 18-300mm, erreichen kann. Das voraus zu ahnen und dementsprechend zu packen ist die Kunst, sowas aus der Ausschreibung heraus zu lesen. Einen ersten Eindruck von der Strecke liefert oft Google-Maps. Fotografie und Sport haben etwas gemeinsam. Die Technik kann man lernen, der Rest heisst Training. Üben, üben, üben. Fotografie ist angewandte Physik und weder Raketenwissenschaft noch Hexerei.

Überall wo die Musik spielt findet man auch einen unerwünschten Gast: Murphy. Es wäre zu schon wenn der mal nicht dabei wäre und alles wie geplant abliefe. So durfte ich erleben wie das ist wenn man das klassische Standardzoom einsetzen will, hier das 24-70mm, und von der Kamera nur eine Fehlermeldung zurück bekommt. Offenbar hatte das Teil zu lange in der Tasche gelegen und hatte jetzt keine Lust. Man muss hier aufpassen. In Objektiven gibt es eine ganze Menge beweglicher Teile, die ebenso wie Knochen und Gelenke auch bewegt werden wollen. Sonst rosten sie ein. Also geht die Linse demnächst erst mal in die Werkstatt zur Wartung.

Warum habe ich nicht meine ebenso gut aufgebauten Sonys genommen?
Ich durfte lernen, dass DSLM, also die neue Generation spiegelloser Systemkameras, ein Problem haben. Alle diese neuen Modell leiden unter einer Macke: sie fangen an zu „denken“! Wenn eine 1D das Motiv erfasst hat löst sie bei Druck auf den Auslöser auch aus. Das ist ihr Job. Eine Sony A1 zum Beispiel hat zwar viermal so viel Pixel auf dem Sensor, muss sich nach eigener Beobachtung dann aber erst mal überlegen was sie will. Das Problem ist, dass die Auslöseverzögerung verursacht, dass dein Motiv nicht auf dich warten will. Sprich der Sportler ist bis dahin über alle Berge! Eine Viertelsekunde sind da ein Haufen Zeug.

Mir hat bislang noch niemand eine Lösung nennen können wie sich das vermeiden lässt, es scheint aber etwas mit der Größe des Sensors zu tun zu haben, denn eine diesbezüglich kleinere A7 Mark III reagiert schneller, wenn auch da nicht verzugsfrei. Ich kann von da her derzeit nicht empfehlen, eine moderne Kamera für Sportfotografie einzusetzen. Vielleicht ist da in der Betriebssoftware noch ein Bug und kommende Versionen werden das Problem lösen. Schau’n mer mal.